Jubiläen in Zilly

18. Sep 2017

Lebendige Dialogpredigt

Am 17. September konnten in Zilly 22 Konfirmationsjubiläen gefeiert werden: Das Goldene- (50 Jahre), Diamantene- (60 Jahre), Eiserne- (65 Jahre), Gnaden- (70 Jahre) und die älteste Teilnehmerin sogar das sehr seltene Kronjuwelen-Jubiläum – sie war vor 75 Jahren konfirmiert worden.

Die Ehrenamtlichen aus dem Gemeindekirchenrat hatten alles trefflich und liebevoll vorbereitet: Urkunden und kleine Geschenke, Sträußchen, gemütliches Beisammensein im Schützenhaus, mit viel Zeit zum Erzählen.

Der Gottesdienst wurde bereichert durch den Gesang eines Frauenchores aus Gemeinden der Umgebung und Diakon Paul-Gerhard Beutel und Pastorin Ursula Meckel gestalteten eine lebendige Dialogpredigt zum Thema der zehn Aussätzigen, bei der der neue Mitarbeiter in gleich zehn verschiedene Rollen schlüpfte.

Ein gelungenes Fest für alle Beteiligten in der sehr gut besuchten Kirche. DANKE!


Ursula Meckel


LUKAS 17; 11 - 19
DIALOGPREDIGT
Paul-Gerhard Beutel & Ursula Meckel
U.M.: Liebe Jubilare , liebe Gemeinde,
Gesundheit ist das halbe Leben - das ist ein häufig ausgesprochener Satz. Jeder Mensch, der lange krank war oder es noch ist, wird ihn aus vollem Herzen bestätigen können.
Für die 10 Aussätzigen, von denen wir im Evangelium gehört haben, war die Gesundheit noch mehr wert als nur das halbe Leben. Da war nicht nur die tödliche Krankheit, bei der Menschen langsam zugrunde gehen. Darüber hinaus war keine Hoffnung auf ärztliche Betreuung - und sie waren getrennt von allen übrigen Menschen.
Wenn ihnen jemand entgegenkam, mussten sie sich bemerkbar machen mit dem Ruf: „Unrein!“
Wissen Sie Herr Beutel, ich habe so meine Schwierigkeiten mit solchen alten biblischen Geschichten. Erstens sind sie fast allen bekannt und zweitens haben sie mit unserem heutigen Alltag nichts zu tun.
P.B.: Wieso das? Es sind doch klare Erzählungen mit einer eindeutigen Botschaft, das kann jeder verstehen.
U.M.: Das sehe ich nicht so. Wer weiß denn schon, was Aussatz ist? Diese Krankheit gibt es bei uns überhaupt nicht – oder kennen Sie Aussätzige? Ich jedenfalls nicht.
P.B.: Ich schon – ich kann Ihnen ja mal welche vorbei schicken.
U.M.: Da bin ich aber gespannt …

P.B. geht nach hinten – kommt wieder mit Hut 1 und Bierflasche
U.M.: Hey, was machst du hier mit einer Bierflasche in der Kirche?
P.B.: Ich trinke um zu vergessen.
U.M.: Um w a s zu vergessen?
P.B.: Dass ich mich schäme.
U.M.: Um warum schämst du dich?
P.B.: Weil ich trinke.

P.B. geht zurück, holt Hut 2
U.M.: Schüttelt den Kopf. Komischer Vogel – Leute gibt’s! Der muss doch nur aufhören zu trinken. Alles eine Frage des Charakters.
– Wer kommt denn da? Wer bist du denn?

P.B.: schweigt – schaut verwirrt um sich – geht hin und her
U.M.: Hallo – was ist los mit dir?
P.B.: schweigt weiter …
U.M.: Der ist vielleicht seltsam, wahrscheinlich krank – also krank im Kopf – oder seelisch oder wie man das nennt. Mit dem will ich nichts zu tun haben, da weiß ich immer nicht, wie ich mich verhalten soll.

P.B. holt Hut 3
P.B.: Ich bin schon vor langer Zeit hierher gezogen. Aber die Leute hier sind mir suspekt, ich habe keinen Kontakt zu ihnen bekommen, werde hier nicht warm.
U.M.: Na kein Wunder, wie der sich benimmt. Der passt einfach nicht zu uns. Keine Ahnung wo der herkommt. Der macht auch bei nichts mit, ist in keinem Verein. Was will der überhaupt hier?

P.B. holt Hut 4
U.M.: Ach, das ist doch der Typ mit der Leiharbeit. Der pendelt in ganz Deutschland herum, hat nie Zeit für seine Familie und für Freunde erst recht nicht. Der hat was von einem Geist – nicht mein Typ.

P.B. holt Hut 5
P.B.: Wahrscheinlich sieht man es mir an: Ich habe Mist gebaut, großen Mist, und jetzt sind alle sauer auf mich.
U.M.: Da ist ja der Knacki – wer weiß, was der verbrochen hat. Mit dem will ich lieber nichts zu tun haben. Da muss man ja Angst haben um sein Leben und das der Kinder und Enkelkinder – igitt!

P.B. holt Hut 6
U.M.: Und der wohnt doch am Ende des Dorfes. Sie wissen schon – in dem Haus, wo die anderen fünf Wohnungen leer stehen – und jeder weiß warum. Irgendwie einfach ein Assi und ein Habenichts – kein Umgang für einen anständigen Menschen.

P.B. holt Hut 7
P.B.: Ich habe mal in einem Büro gearbeitet, aber dann kam die ganze neue Technik und die habe ich einfach nicht begriffen. Aber ohne Computer und Smartphone bin ich total abgehängt. Jeden Montag hole ich mir analog am Sparkassenschalter meine 80 € ab.
U.M.: Na das ist vielleicht eine Träne. Mit PC und Handy kann doch schon jedes Kind umgehen, der lebt ja voll hinter dem Mond bzw. in der Steinzeit. Dann darf er sich nicht wundern, dass keiner was mit ihm zu tu haben will.

P.B. holt Hut 8 und eventuell Rollator oder Gehhilfe

U.M.: Da ist ja der Opa von unserem Nachbarn. Mit dem ist gar nichts mehr los, der kann nichts mehr selbst, deshalb ist er auch zu Recht im Pflegeheim gelandet. Besuchen werde ich den nicht noch mal - habe keine Lust, mir immer dieselben Geschichten anzuhören und das Gejammer über seine Wehwehchen – nö, das brauche ich nicht!

P.B. holt Hut 9
P.B.: Ich trauere um einen lieben Menschen, den ich verloren habe, ganz plötzlich. Und die anderen gehen mir aus dem Weg. Das heißt, sie sind nett zu mir. Sie helfen mir, wo sie können, aber sie sind unsicher, wie sie mit mir umgehen sollen und deshalb bleiben sie auf Abstand.
U.M.: Naja, was soll man da auch sagen? Ich kann ihm doch seine Frau nicht zurückgeben, da muss er schon irgendwie selbst mit klar kommen. Es heißt ja, die Zeit heilt alle Wunden – und so lange lasse ich den lieber in Ruhe.

P.B. holt Hut 10
U.M.: Was ist das denn für einer? Wo kommt der denn her und warum? Bestimmt einer von diesen Wohlstandsflüchtlingen. Die sollen lieber in ihrer Heimat bleiben und da was ändern, anstatt uns hier auf der Tasche zu liegen. Ich weiß ja, dass es viel Schreckliches auf der Welt gibt, aber wir können schließlich nicht allen helfen.

P.B. kommt ohne Hut und ohne Umhang zurück
P.B.: Glauben Sie immer noch, dass es bei uns keine Aussätzigen gibt?
U.M.: O.k. – so gesehen wohl doch. Also Leute, mit denen keiner etwas zu tun haben will – aus ganz unterschiedlichen Gründen.
In der biblischen Geschichte wurde allen geholfen. Aber nur einer hat sich bedankt. Heißt das nicht, mit solch undankbaren Leuten sollte man sich am besten gar nicht beschäftigen?
P.B.: Das sehe ich etwas anders. Klar – geheilt wurden zehn.
Neun von zehn nehmen ihr Leben wie vor der Erkrankung wieder auf.
Der Zehnte kommt zurück an den Ort seines Heils, um Gott die Ehre zu geben, ihm zu danken. Übrigens ausgerechnet ein Samariter, also ein Ausländer, von dem das nicht zu erwarten war.
Er hatte eine neue Chance zum Leben bekommen. Er konnte sich wieder als Mensch unter Menschen fühlen. Er durfte neu Berührung, Freundschaft, Liebe, Nähe erfahren. Ganz sicher sind alle zehn darüber glücklich - aber sie verhalten sich eben anders als der eine.
U.M.: Ich kann mir vorstellen, dass über der Freude das vergangene Leid so schnell wie möglich verdrängt und vergessen werden soll. In das neue Leben soll kein Schatten der Vergangenheit hineinfallen - weg damit, beiseite schieben.
P.B.: Das unterscheidet den einen von den anderen neun. Er will mit seiner Vergangenheit leben. Indem er sie im Blick und im Gedächtnis behält, findet er viele Gründe, Gott zu loben. Die Erinnerung an die schlimmen Zeiten seines Daseins wird ihn die Gegenwart mit anderen Augen sehen lassen.
U.M.: Erinnerung ist wichtig - sie hält unser Leben zusammen, verdeutlicht die Zusammenhänge.
P.B.: Jubel-Konfirmation ist ein besonderer Anlass der Erinnerung. Viele Jahrzehnte ist es her, dass Sie in dieser oder einer anderen Kirche vor Gott und der Gemeinde zugesagt haben: Wir wollen versuchen, nach den Maßstäben Gottes zu leben. Vieles ist seitdem passiert. Viel Gutes und viel Beschwerliches und hoffentlich ganz viel Schönes.
U.M.: Erinnerung lässt nicht zu, dass wir den Teil mit den leidvollen Erfahrungen von uns abspalten. Aussatz haben - ausgesetzt sein - isoliert werden. Das gibt es auch heute und unter uns – und manchmal fühlen wir uns selbst so.
P.B.: Schön wäre, sich an die dunklen Stunden des Lebens zu erinnern, um die hellen und heilen dankbarer genießen zu können.
U.M.: Vielleicht ist es das wichtigste überhaupt, was wir von dem Samariter lernen können: Fröhlich „Danke“ zu sagen für alle Bewahrung im Leben - Danke an Gott, unseren Vater und an Jesus, unseren Bruder - der uns bis hierher freundlich geleitet und begleitet und bewahrt hat.
Beide: Amen



Zilly Jubiläum
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Fotos: Axel König

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