Zieht an die Waffenrüstung Gottes

17. Okt 2016

Predigt vom 16. Oktober 2016

Halberstadt, 16. Oktober 2016

Superintendentin Angelika Zädow - es gilt das gesprochene Wort

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Kraft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde,

der für heute vorgeschlagene Predigttext aus dem Epheserbrief spielt zur Zeit der ersten Christenverfolgungen. Römische Besatzungstruppen zeigten Tag für Tag für alle sichtbar, wer in der Stadt Ephesus die Macht hat.

Was für ein Gefühl mag das sein, wenn Soldaten durch Straßen und Gassen marschieren…

Welch lähmende Angst macht sich breit, wenn ich weiß, dass mein Glaube ihr Ziel ist …

Wie breit machen sich Vorsicht und Argwohn gegenüber denen, die mir begegnen, weil sie mich als Christin outen könnten …

Kaum vorzustellen wie eng das Leben dann werden kann:

-      jedes Wort gut überlegen, damit es meinen Glauben nicht verrät

-      den Freundeskreis auf „hundertprozentig Gleichgesinnte“ beschränken

-      die Kinder dazu erziehen, gegenüber anderen nicht offen zu sein und in keinem Fall über Glaubensdinge zu reden

-      die Begegnung mit fremden Menschen meiden und nur rausgehen, wenn es unbedingt sein muss

-      Glauben leben und Gottesdienst feiern nur unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen -  von Mal zu Mal den Treffpunkt wechseln, Geheimzeichen entwickeln, die den Weg weisen, Klopfzeichen vereinbaren, bevor die Tür geöffnet wird

Wie eng, ach wie eng und angstbesetzt kann das Leben werden …

Der Autor des Epheserbriefes schreibt vor dem Hintergrund dieser Erfahrung:

„Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke.

Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels.

Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.

Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt.

So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und an den Beinen gestiefelt, bereit einzutreten für das Evangelium des Friedens.

Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen,

und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.“

Ausgerechnet das Bild des römischen Fußsoldaten -  also das Bild des täglichen Feindes – nimmt sich der Verfasser als Beispiel. Und das auch noch, um den Glauben als Kampf zu inszenieren. Christ gegen Teufel -  dafür muss man gewappnet sein wie ein Soldat.

Na, schönen Dank auch! Als christliche Kämpferin mit Panzer, Helm und Schwert habe ich mich zumindest noch nie gesehen.

Wir tun uns heute eher schwer mit der mythischen Sprache und ihren Bildern. Weil wir gewohnt sind, „realistisch“ zu denken und zu reden und damit vor allem alles sinnlich Wahrnehmbare meinen. Was ja auch gut ist -  unbedingt!

Mythische Sprache und ihre Bilder sind für mich aber ähnlich wie Kunstwerke. Sie wollen nicht einfach das Sichtbare darstellen, sondern gerade das Unsichtbare in unsere Wirklichkeit hinein holen.

Der Teufel in unserem Text: nicht aus Fleisch und Blut, sondern eine listige Macht.

Hier in Dom und Domschatz Halberstadt begegnet uns der mythische Hinweis auf die unsichtbare teuflische Macht in der mittelalterlichen Kunst: Schlangen, Affen, schwarze Vögel sind auf den Altaraufsätzen zu sehen, Fratzen und Dämonen begegnen uns auch am Bauwerk.

Was damals in Farbe und Stein hinein gestaltet wurde, kommt heute in Gestalt zahlreicher fantasy- und science-fiction- Filmproduktionen:  Gnome, Geister, Zauberer – Furcht einflößende Gestalten im Kampf mit der Menschenwelt.

Der Teufel -  keine Person, sondern etwas Verstecktes -  eine tief im Menschen verborgene Möglichkeit. Nicht mehr.

Diese Möglichkeit, denke ich, ist deshalb so „listig“ wie unser Text sagt, so hinterhältig und gemein, weil sie sich tarnt: Sie tarnt sich mit unserer Neugier, unserer Sehnsucht, unserem Verlangen auch.

Schon im Alten Testament wird die eigentlich gute Eigenschaft der Neugier Adam und Eva zum Verhängnis, weil sie von der verborgenen Möglichkeit zur Grenzüberschreitung verleitet werden.

Vielleicht ist dies das wirklich Perfide: das teuflisch Böse kann sich aus allem, was einmal im Guten oder mit bester Absicht begonnen hat, entwickeln.

Wie anders ist es sonst zu erklären, dass Geld ausgerechnet die Menschen korrumpieren kann, die ohnehin nicht schlecht verdienen und sie selbst zu „Bestechenden“ macht?

Wie anders ist es zu erklären, dass Menschen mit einem wachen Verstand Geschichte nicht mehr wahrhaben wollen und einordnen können?

Wie anders ist es zu erklären, dass Menschen, die aufeinander zu hören und miteinander zu diskutieren gelernt haben, einem martialisch auftretenden Präsidentschaftskandidaten folgen?

Wie anders ist es zu erklären, dass Menschen beim Anblick verängstigter Frauen und  weinender Kinder in einem Bus zu pöbeln und zu schimpfen beginnen?

Wenn das Gute – Geld verdienen - von dem verborgenen Wunsch, Einfluss und Macht über andere zu haben, ins Gegenteil verkehrt wird.

Wenn das Gute -  der wache Verstand – von der verborgenen Sehnsucht nach einfachen und schnellen Lösungen, hintertrieben wird.

Wenn das Gute – Gesprächs- und Einfühlungsvermögen – von dem verborgenen Verlangen, endlich einmal selbst bestimmen zu können, manipuliert wird.

Wenn das Gute – die Offenheit anderen gegenüber - von dem verborgenen Ärger über sich ändernde Verhältnisse, verdrängt wird.

Wo das geschieht, da werden wir im Wortsinn „vom Teufel geritten“. Da brechen sich Kräfte Bahn, die alle Benimmregeln, allen Anstand, alles einmal als selbstverständlich geltenden Maßstäbe und gesellschaftlichen Übereinkünfte außer Kraft setzt.

Meist bricht es sich explosionsartig und plötzlich Bahn. Die Verhältnisse werden auf den Kopf gestellt.

Und nun? Was können wir, was kann ich, dem Teufel, dem „Durcheinanderbringer“ wie es wörtlich heißt, entgegen setzen?

Unser Text vergleicht die soldatische Ausrüstung mit Begriffen des Evangeliums:

Lendengürtel: er zeichnete den Mann als Soldaten aus, auch wenn er nicht kämpfte.

Die Wahrheit soll auszeichnen wie dieser Gürtel.

Gerechtigkeit soll fest und stark sein wie ein Panzer

Die gute Nachricht des Friedens soll auf den Beinen sein.

Der Glaube wie ein schützendes Schild.

Das Heil wie ein Helm, unter dem sich sicher laufen lässt.

Das Wort Gottes wie ein Schwert, das trifft.

Ich lese diesen Text als eine Ermutigung.

Ganz gleich, welche Gegenwart uns umgibt: wir sind den Umständen niemals hilflos ausgeliefert. Wir haben die Option zum Guten -  immer. Auch unsere eigenen verborgenen bösen Kräfte haben nicht zwangsläufig Macht über uns.

Denn wir haben die Fähigkeit, immer wieder neu die Frage nach der Wahrheit zu stellen. Wir können hinterfragen, uns erkundigen, genau zuhören, Hintergründe verstehen, ins Gespräch kommen gerade mit denen, die sich aus unserer Sicht erstaunlich oder merkwürdig verhalten. Das Evangelium ist voll Erzählungen wie das gehen kann. Und wir als Christen dürfen von diesem Evangelium Dialogfähigkeit, Klarheit und den Umgang mit Versuchungen lernen. Weil Gottes Wort uns in diese Welt schickt und uns zutraut, sie in seinem Sinn mit zu gestalten.

Gottes Gerechtigkeit „steht wie die Berge“ heißt es in einem Psalmwort. So hoch und wunderbar ist sie -  weil sie ganz anders ist als unsere menschliche Gerechtigkeit. Weil sie nicht nur die Schuld, das Versagen, den Fehltritt sieht, sondern immer den ganzen Menschen: wie er liebt, wie er lacht, wie er trauert, wie er hofft, wie er bangt.

Weil wir von Gottes Verzeihen und seiner Gnade stark gemacht sind, uns selbst auch mit unseren Schwächen anzunehmen -  deshalb können wir das auch anderen gegenüber und müssen nicht in irgendwelche Parolen und Meinungen, die sich gegen andere richten, einstimmen.

Die Nachricht des Friedens von Gott für die Welt soll erlaufen werden. Dazu brauchen wir gutes Schuhwerk.

Denn der Frieden kann nicht mit Waffen herbei gekämpft, gebombt oder mit Geld gekauft werden. Er kann nur entstehen, wo echte und ehrliche Begegnung zwischen Menschen stattfindet. Wo man es wagt, dem ganz anderen zu begegnen. Wo Unterschiede und Gemeinsamkeiten benannt werden können - in gegenseitigem Respekt und Achtung voreinander. Da hat Unbarmherzigkeit dann keinen Platz mehr.

Glaube und Heil wie Schild und Helm. Wir dürfen uns des Segens Gottes sicher sein. Er verlässt uns nicht. Mit seiner Treue und seiner Nähe haben wir eine Ausrüstung, die uns schützen kann vor blinder Wut, undifferenziertem Urteilen.

Immer wieder haben wir die Gelegenheit, uns dieses Segens zu vergewissern, Kraft zu schöpfen und alles los zu lassen, was uns Kummer und Angst macht.

Den Tag oder die Woche zu unterbrechen und bewusst auf Distanz zum Alltäglichen zu gehen, gibt die Chance zu einer neuen Blickrichtung und befreit von der Macht, sich selber darstellen zu wollen.

Gottes Wort soll wie ein Schwert sein. Eins das trifft: ins Herz, ins Hirn, in die Seele. Aber nicht um zu vernichten. Sondern um zu berühren, um aufzudecken, auch um im Wortsinn „zu entwaffnen“.

Weil es die Wirklichkeit beim Namen nennt, weil es Dingen eine überraschende Wendung gibt.

Weil es Mut macht.

Weil es von Güte redet.

Weil es von Angst befreit.

Weil es einfühlsam ist.

Weil es zum Leben hilft.

Amen.

 

Und der Friede Gottes umhülle uns wie ein großes Licht. Amen.


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Superintendentin Angelika Zädow

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