Synode ...

21. Nov 2015

... beschließt Flüchtlingsfonds

"Das Zahlenfeuerwerk unserer Amtsleiterin erwartet uns in der ersten Hälfte der Synode", bereitete Präses Hans-Jörg Bauer auf die Erläuterungen des Haushaltsplanes vor. Ihn verabschiedeten die Synodalen mit großem Dank an Erika von Knorre und alle Mitarbeiterinnen des Kreiskirchenamtes.

Daneben beschloss die Synode die Errichtung eines 25.000€ starken Flüchtlingsfonds zur Unterstützung integrativer gemeindlicher Projekte. Verlängert wurde das Förderprogramm zur Schaffung vereinfachter Zugänge zu kirchlichen Gebäuden.

In ihrem Synodalbericht ging Superintendentin Angelika Zädow auf die Entwicklung des kichlichen Lebens im Kirchenkreis und vor allem auf die aktuelle Situation ein. Bezugnehmend auf die Rolle der Kirche sagte sie: "Das Gebot der Nächstenliebe, dem wir alle verpflichtet sind, macht weder vor geografischen, noch kulturellen oder religiösen Grenzen Halt und ist somit nicht verhandelbar." (ganzer Bericht unten)

Inhaltlich bildete das Thema Gestaltung von Räumen gemeindlicher Arbeit in der Zukunft den Schwerpunkt. Dazu hatte die Frühjahrssynode einen Kommunikationsprozess in Gemeinden und Regionen angeschoben. Der Beschluss des Kreiskirchenamtes, eine Zukunftskonferenz einzuberufen, fand breite Zustimmung - wie die Pausengespräche zeigten.

Propst Christoph Hackbeil gestaltete mit weiteren Mitgliedern der Visitationskommission die Abschlussandacht und setzte damit den offiziellen Endpunkt der Kirchenkreisvisitation.


Bericht zur Herbstsynode des Kirchenkreises Halberstadt 21.11.2015 von Superintendentin Angelika Zädow

Es gilt das gesprochene Wort

 „Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in euren Herzen.“ (Epheser 5,19)

Liebe Schwestern und Brüder,

die heutige Tageslosung stelle ich meinem Synodalbericht für das Jahr 2015 als Überschrift voran.

Denn das ist und bleibt unser Auftrag. Auch wenn es manche Momente und Stunden in den vergangenen Tagen, Wochen und während des Jahres gab, da war es vielen nicht nach Lobgesängen, sondern nach Klageliedern zumute. Da blieben Trost und Zuversicht auf der Strecke.

Das gilt für manch einen im persönlichen Leben. Dabei denke ich aber zugleich an die Terroranschläge in Paris, die uns einerseits an die über 30000 Terroropfer weltweit erinnern, und uns andererseits die Situation vor Augen führen, aus der so viele Menschen zu uns fliehen.

Trotz all dem, was Menschen belasten und beschweren kann, gilt: Gott loben, das ist unser Amt.

Zu Recht verbinden wir „Lobgesänge“ und „geistliche Lieder“ mit den schönen musikalischen Veranstaltungen in unseren Gemeinden und mit dem Ausdruck von Instrumenten und Stimmen.

Das Lob Gottes aber ist im Verständnis der Bibel umfassender gemeint. Das Lob Gottes soll das ganze Wesen des Menschen ergreifen und ins Musizieren genauso eingehen wie in jedes Wort, was gesprochen wird, jede Arbeit, die notwendig ist und alle Gemeinschaft, die wir in Familie, Beruf und im Freundeskreis pflegen.

Dort -  in unserem konkreten Leben -  soll Gott gelobt werden.

Wie schaffen wir das im Kirchenkreis Halberstadt? Zunächst werfe ich einen Blick sozusagen nach innen, und dann nach außen.

1.   INNEN

Mit Sorge schauen viele auf die sinkenden Gemeindegliederzahlen. Denn ein weniger an Gemeindegliedern zieht ein weniger an Finanzkraft und Stellenanteilen nach sich.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – ehren- und hauptamtlich – fühlen sich mehr und mehr unter Druck -  scheint es doch – zumindest in unserem von wirtschaftlichem Denken geprägten Land -   einen unmittelbaren Zusammenhang von „weniger und schlecht“ bzw. „mehr und gut“ zu geben.

Aus meiner Sicht ist das in aller Regel nicht so. Wir haben – abgesehen von dem durch das Missverständnis einer angeblich neuen Kirchensteuer im vergangenen Jahr -  keine wesentlich höheren Austrittszahlen. Sondern haben Teil an dem gesamtgesellschaftlichen demografischen Wandel.

In den letzten Jahren stehen der Taufanzahl doppelt so viele Beerdigungen gegenüber. Und das, obwohl die Statistik nur die kirchlich bestatteten Gemeindeglieder erfasst. Hinzu kommt eine größer werdende Zahl derjenigen, deren Familien keine kirchliche Trauerfeier wollen, obwohl die Verstorbenen Glied der Kirchengemeinde waren.

Den Trend des Weniger werden wir nicht aufhalten. Sondern müssen die Arbeit so gestalten, dass sie zugleich leistbar und attraktiv ist.

Das erfordert Mut zum neu und vielleicht auch quer denken, es erfordert aber auch Abschied nehmen von Gewohntem.

Geistlich bedeutet es für mich vor allem, dass wir uns wieder mehr auf das besinnen können, was wir als Glaubende sind: ein wanderndes Gottesvolk und keine sitzende Institution – eine Glaubensgemeinschaft auf dem Weg in die Zukunft Gottes, die sich untereinander ermutigt und tröstet.

Alles hat seine Zeit. Jetzt ist die Zeit für neue Wege.

Bis der neue Stellenplan verabschiedet werden kann, bedeutet dies aus meiner Sicht zweierlei: Zum einen müssen wir sehen, ob und wie frei werdende Stellen besetzt werden können.

Neben manchen Einschnitten, die es in Zukunft geben wird, haben wir bis 2020 einige Zeit zum Ausprobieren. Die Landeskirche stellt dafür auf Antrag Mittel bereit. Und der Kreiskirchenrat hat in seiner letzten Sitzung eine Zukunftswerkstatt beschlossen, in die Synode, Gemeindekirchenräte, Gemeindeglieder und andere mit einbezogen werden sollen.

Durch den Bauausschuss  angeregt, haben sich im Bereich Gebäudeplanung einige Gemeinden auf den Weg gemacht. Nicht für die Gemeindearbeit benötigte bzw. ungeeignete Häuser stehen zum Verkauf oder wurden bereits veräußert. Was mich besonders freut, sind die in Kooperation mit Kommunen und Vereinen der Orte entwickelten Konzepte zur gemeinsamen Nutzung auch von Kirchen.

Schon in den letzten 5 Jahren gab es immer wieder Gemeinde- und Regionenübergreifende Projekte. So auch im Berichtsjahr. Neben der bereits erwähnten großartigen Kirchenmusik erinnere ich stellvertretend nur an die Podiumsdiskussion in Osterwieck zu Chancen und Grenzen der neuen Medien, an das Luthermusical in der Region Ost, die Churchnight, den Männertag, die Nacht der Kirchen in Halberstadt, die zahlreichen Stadt- bzw. Pfarrbereichs- und Regionalgottesdienste.

Ein Erfolgsmodell ist der Einsatz der Springerin. Mit Pastorin Ursula Meckel haben wir eine ehemals der Idee ausgesprochen kritisch gegenüberstehende Person gewinnen können, die Zeiten von Vakanz, längeren Erkrankungen bzw. dienstlichen Abwesenheiten, die das regionale Modell nicht mehr vertretungsmäßig abbilden kann, ehrenamtlich überbrücken hilft.

Die Zufriedenheit bei Gemeinden bzw. der „Springerin“ ist hoch. Weiter nachdenken müssen wir über die fachliche Anbindung dieser spezifischen Arbeit und der gebotenen Austauschmöglichkeit mit ebenfalls als „Springer“ eingesetzten Pfarrerinnen und Pfarrern. Eventuell kann das auch ein Modell für die anderen Bereiche des Verkündigungsdienstes sein.  

Mit Sorge sehe ich den sich weiterhin problematisch entwickelnden Einsatz unserer Mitarbeitenden im Religionsunterricht. Auch hier liegt die Ursache nicht in einem schlechten Angebot, sondern im Mangel an Lehrkräften.

Für dieses Jahr wurde die Refinanzierung des Unterrichtes vom Land finanziell gedeckelt bei gleichzeitig vorrangiger Besetzung freier Stellen durch staatliche Lehrkräfte sowie ein grundsätzlich vermindertes Angebot von RU an Schulen. Diese Maßnahmen führten dazu, dass schon jetzt zwei Kräfte aus der Anstellung über 50% -  den sogenannten Gestellungsverträgen -, die allein voll refinanziert werden, herausfielen. Bei Anstellungen unter 50% zahlt der Kirchenkreis erheblich zu. Die sich künftig stellende Frage ist, wie lange sich Kirchenkreise RU leisten können und wollen, wenn dieser Trend sich verstetigt.

Schulen in evangelischer Trägerschaft sind vom Lehrermangel wie alle anderen betroffen. Aktuell vor allem die evangelische Sekundarschule Hedersleben. Dort besteht dringend Handlungsbedarf.

Zwei Dinge zuletzt zum „Innenbereich“: Die Erfahrung diesen Jahres hat gezeigt wie schnell Krankheit und Arbeitsverlust Angehöriger Mitarbeitende in Not bringen können. Um dort unbürokratisch, vertraulich und schnell helfen zu können, der KKR hat die Einrichtung eines „Härtefonds“ im Umfang von 5000 € beschlossen.

Nach dem Umzug des kirchenmusikalischen Seminars nach Halle, hat der Kirchenkreis in Vertretung der gesamten Propstei den Antrag auf Förderung einer Konzepterstellung zur Aus- und Weiterbildung von ehren- und hauptamtlichen Kirchenmusikern. Ziel ist vor allem eine bessere Versorgung in ländlichen Gegenden. Ende des Jahres entscheidet der Vergabeausschuss darüber.


2.   AUßEN:

Seit mittlerweile 3 Jahren gehört zu den Berichtspunkten der Superintendentin auch die Entwicklung der damals neu gestalteten Internetpäsenz des Kirchenkreises, die nach wie vor erfreulich ist.

Gestartet waren wir 2012 mit 14.000 Zugriffen im Jahr, in diesem Jahr sind es aktuell schon über 23.000. Wir verzeichnen also durchschnittlich einen Zuwachs von 3000 Zugriffen pro Jahr und erreichen pro Woche rund 500 Personen. Dabei gilt das Interesse vor allem Kirchen und Gemeinden sowie überregionalen und touristischen Themen.

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland und damit auch unsere Gemeinden sowie der Kirchenkreis sind wie alle in dieser Zeit mit der aktuellen Situation herausgefordert. Viele Menschen aus anderen Ländern flüchten sich in unser Land.

Der Landkreis Harz -  bisher wegen der Zentralen Aufnahmestelle des Landes -  von der Zuweisung von Menschen, die Asyl suchen, ausgenommen, wird im kommenden Jahr „aufnehmender Landkreis“ werden.

Ich bin dankbar, dass sich schon jetzt etliche Gemeinden bereit erklärt haben, nicht nur freien Wohnraum anzubieten, sondern auch Mitarbeitende für die Begleitung frei gestellt haben.

Voll Hochachtung sehe ich das große Engagement derer, die mit unterschiedlichen Angeboten Möglichkeiten der Begegnung zwischen Einheimischen und Fremden ermöglichen.

Mit dem Diakonischen Werk haben wir  einen kompetenten Partner, der sich auch dem Landkreis immer wieder unterstützend anbietet und längst in Sachen Kleiderkammer, Schularbeit und verschiedenen weiteren Projekten aktiv wurde.

Ich bin dankbar für die Pfarrerinnen und Pfarrer, die bei Bürgerversammlungen selbstverständlich zur Moderation bereit sind oder Gebete formulieren und zur Verfügung stellen.

Sollte die Synode nachher dem Vorschlag des KKR folgen, wird der Kirchenkreis mit einem Fonds alle gemeindlichen integrativen Initiativen unterstützen können.

Und das halte ich in jeder Hinsicht für dringend geboten. Denn das Gebot der Nächstenliebe, dem wir alle verpflichtet sind, macht weder vor geografischen, noch kulturellen oder religiösen Grenzen Halt und ist somit nicht verhandelbar.

Das gilt gerade für diese Zeit, in der die gesellschaftliche Stimmung zerbrechlich ist. Dass so viele Menschen aus anderen Kulturkreisen vor Hunger, Terror und Bürgerkrieg nach Europa fliehen, können in Deutschland zunehmend mehr Menschen nicht als Bereicherung sehen. Statt dessen treibt Angst sie um: Wie viel Fremdes verträgt mein vertrautes Leben? Was wird sich auf Dauer verändern? Ist mein Job noch zukunftsfähig, wenn andere auf den Arbeitsmarkt drängen? Passen Verhalten und Kultur der anderen zu meiner?

Einige beantworten diese Fragen sehr positiv. Sie sagen: Fremdes kann mein Leben nur bereichern. Und verändern tut sich ständig alles. Unsere Vorfahren konnten sich auch kein Internet geschweige denn smartphones und weltweite Vernetzung vorstellen. Arbeitskräfte haben wir ohnehin zu wenig. Benimmregeln und Verhaltensweisen müssen wir Deutschen den „neuen“ eben beibringen.

So diskutieren die einen und die anderen, ob das gehen kann oder nicht. Die meisten müssen abstrakt, theoretisch diskutieren -  weil sie bisher keine Möglichkeit hatten, jemanden aus Eritrea, Syrien, Albanien oder Mali kennen zu lernen.

Diese gemischte Stimmungslage aus Angst auf der einen, Zuversicht auf der anderen Seite und theoretischen Überlegungen und Debatten machen sich Brandstifter zu nutze. Da sind einmal die mit einer gehörigen Portion krimineller Energie. Sie zünden fremdes Eigentum an, beschmieren Häuser und Autos -  wie den vermeintlichen Wagen des Bürgermeisters in Thale - mit Hakenkreuz.

Da sind die Brandstifter, die aus Ängsten eine Haltung machen wollen. Dabei greifen sie auf die wenig rühmliche nationalsozialistische Geschichte unseres Landes zurück. Und schüren mit Parolen, Lügen und Pauschalurteilen Sorgen und Ängste. Am Reformationstag war in Halberstadt bei der Kundgebung der ausgestreckte Arm zum Gruß zu sehen, und ein Redner schloss mit „Danke. Heil Hitler“.

Mit ihren einfachen Sprüchen gaukeln sie den Sorgenvollen vor, sie hätten eine Lösung, die das Fliehen von Menschen verhindere und die bestünde in der Rückkehr zu rassistischem Gedankengut.

Und da sind auch diejenigen, die völlig unreflektiert Dinge nachreden oder in den sozialen Medien posten – was ist daran sozial, frage ich mich oft: Da wurden die Schafe in Langenstein angeblich alle geschlachtet, in den Supermärkten würde gestohlen und außerdem wären Alkoholexzesse zu beobachten. Dass für die Verifizierung solchen Unsinns die Polizei ermitteln muss, DAS halte ich für unsozial.

Als Kirche in der Nachfolge Jesu sollten wir darüber hinaus aus der Geschichte gelernt haben. In einer Fernsehsendung wurde vorgestern abend an die Konferenz von Evien 1938 erinnert.

Ich zitiere aus der online-Präsenz der „Anne-Frank-Stiftung“: „Je schlimmer die Unterdrückung und je größer die Zahl der betroffenen Juden wurde, umso schwieriger wurde es für sie, ein Fluchtland zu finden. Immer mehr Staaten erließen Einreiseverbote, sperrten ihre Grenzen, internierten bereits eingereiste Flüchtlinge in Lagern oder schoben sie über die Grenze ins nächste Land ab. Die von den Nazis verhängten Arbeitsverbote für Juden und weitere Maßnahmen zu ihrer Enteignung führten zur Verarmung der meisten Juden, die in Deutschland geblieben waren.

Vor diesem Hintergrund regte der US-Präsident Franklin D. Roosevelt eine internationale Tagung an. Auf ihr sollte erörtert werden, wie jüdischen Flüchtlingen geholfen werden konnte. Vom 6. bis 15. Juli 1938 berieten sich Delegierte aus 32 Ländern und Vertreter dutzender jüdischer Hilfsorganisationen im französischen Kurort Evian. Doch die Vertreter sämtlicher Länder – mit Ausnahme der Dominikanischen Republik – trugen wortreiche Begründungen vor, warum ihr Staat nicht in der Lage sei, weitere Verfolgte aufzunehmen. 

Verzweifelt versuchten die Juden, auf legalen oder illegalen Wegen aus Deutschland zu fliehen. Die meisten der jüdischen Deutschen waren erst in die unmittelbaren Nachbarländer geflohen. Nachdem das nationalsozialistische Deutschland diese überfallen und besetzt hatte, boten auch sie keinen sicheren Schutz mehr. Viele wollten daher nach Übersee.

Wochenlang standen sie vor Konsulaten lateinamerikanischer Länder, um ein Visum für irgendein Land in Übersee zu bekommen. Sie bezahlten oft ihr letztes Geld für eine Schiffspassage, bei der häufig nicht einmal feststand, ob und wo die Passagiere an Land gehen konnten.“

Als Christen haben wir die Aufgabe unseren Glauben in Wort und Tat umzusetzen -  also dann:

Mahnen wir menschenfreundliches politisches Handeln an.

Ermutigen wir die Ängstlichen.

Achten wir auf die Worte, die wir selber sprechen.

Hören wir niemals auf, den Dialog zu führen -  untereinander und mit anderen.

Zum Lob Gottes. Das ist unser Amt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


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