10. Mai 2015
Vom Beruf ins Ehrenamt
"Es ist heute mehr als ein Abschied, denn zugleich begrüßen wir Sie beide wieder als Mitarbeiter im Domschatz Halberstadt", sagte Kustos Dr. Thomas Labusiak. Sabine Hoffmann und Klaus-Dieter Kretschmer wurde nach vielen Jahren, in denen die eine 100000de Besucher durch die Ausstellung führte und der andere mit Argusaugen über die Kostbarkeiten wachte, entschieden sich beide, an anderer Stelle ehrenamtlich weiter mitzuarbeiten - ein Glücksfall für alle Besucherinnen und Besucher.
Der von ehemals in Halle studierenden Kirchenmusikern unter Leitung von Klaus Jürgen Teutschbein und Kirchenmusikdirektor Claus-Erhard Heinrich festlich gestalteten Gottesdienst stand ganz im Zeichen des sonntäglichen Themas "rogate" - "betet". Superintendentin Angelika Zädow lud ein, statt wie gewohnt auf eine Predigt zu hören, ein ausführliches Vater Unser mitzubeten (s.u.)
Predigt zum Sonntag Rogate - Superintendentin Angelika Zädow
Liebe Gemeinde,
heute feiern wir den Sonntag „rogate“ - betet. Statt einer Predigt „über“ das Beten, lade ich Sie heute zu einem längeren wirklichen Gebet ein. Es orientiert sich an dem zentralen Gebet des neuen Testament, dem Vater Unser.
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name
Ach, Gott, könnten wir das doch schaffen –
dieses kindliche, grenzenlose Vertrauen in dich
– wie Jesus es hatte,
wie jeder fromme Jude es damals
im persönlichen Gebet ausdrücken konnte.
Abba, papa, vati -
sich dir wie ein Kind in die Arme werfen,
Geborgenheit und Nähe suchend,
und deine Arme spüren, die sich sanft um mich legen.
Mach uns Mut, Gott,
zu dieser persönlichen intimen Begegnung mit Dir,
damit Dein Wort uns ganz ergreift und erfüllt.
Und wir erkennbar werden als die,
die mit ihrem Leben
Deinen Namen groß machen in der Welt,
denen nichts heiliger, nichts wichtiger, nichts erstrebenswerter,
ist als der Glaube und die Kraft deiner Idee
für ein friedliches Zusammenleben
aller Völker auf diesem Erdball.
Nicht auszudenken, wie das wäre,
wenn jeder aus dem Gottesdienst ginge
und damit ernst machte,
Deine Güte unter den Menschen auszuteilen.
Dein Reich komme
Dein Reich komme und ist schon da.
Mit Deinem Wort hast Du ein Samkorn in die Welt gelegt,
aus diesem Wort wird Dein Reich erwachsen.
Inständig bitten wir Dich:
Gib uns Augen, die Ausschau halten
nach den kleinen Pflänzchen von Hoffnung und Zuversicht.
Seit Ostern wissen wir ja:
nicht Not und Tod haben das letzte Wort,
es muss nicht bei dem bleiben,
was augenscheinlich das gewichtigste ist in unserer Welt.
Es gibt immer die Möglichkeit,
eine andere Richtung einzuschlagen.
Stifte uns an Gott,
aus dem Osterlicht zu leben,
und wie die Frauen am leeren Grab,
umzukehren und loszugehen,
und im Sinne unserer Mütter und Väter
mutig bekennen, treu im Gebet zu bleiben,
fröhlich glauben und brennend lieben.
Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden
Du, unser Gott,
so viel Vertrauen legst Du in uns,
dass Du Deinen Willen an uns bindest.
Dein Wille soll geschehen: überall –
Das Deine hast Du getan,
und nun - Dein Wille durch uns.
Wir als Deine Mitarbeiter - in aller Freiheit
Unseren eigenen Weg finden.
Ach, Gott, aber wie schwer ist es,
mit diesem großen Geschenk der Freiheit umzugehen.
So oft lassen wir es liegen
und binden uns selber fest:
An Dingen, die wir scheinbar haben müssen,
„must have“ – in Mode und anderen Sachen,
im „mainstream“ reden und denken,
schwarz oder weiß - weil es einfach ist,
wir laufen mit, wo viele laufen,
weil es gegen den Strom eben schwer ist.
Und wir haben gelernt zu schweigen,
und sind gut darin Ausreden zu finden:
„hat doch eh keinen Zweck“,
„meine Meinung interessiert keinen“,
„das müssen andere tun“.
Lass uns umkehren Gott,
befreie uns zur Vision
einer glücklichen frohen Hoffnung
allein auf Dich,
auf Dein Wort,
auf Deine Verheißung
und Deine Zuwendung,
damit wir wieder erkennbar werden
als Deine Mitarbeiter,
als Arbeiter an Deiner Friedenswelt.
Lehre uns, nicht aufzugeben wenn es schwierig wird,
sondern gerade dann das neue Lied zu singen.
Gerade dann besonders laut,
damit andere es hören
und neugierig werden
und anhalten in dem,
was sie gerade tun und denken,
und ins Nachsinnen kommen
über das, was sie da hören
durch uns
von dir.
Unser tägliches Brot gib uns heute
Auf unserer Reise durch das Leben
und ausgestattet mit Deinem Auftrag, Gott,
stärke uns,
schenke uns die kleinen Momente,
in denen uns Kraft zuwächst,
lass uns genügen an dem,
was wir heute bekommen.
Richte unsere Augen auf die Gegenwart
voll Vertrauen,
dass Du auch morgen für uns sorgst.
Lass uns dabei
auf die Menschen schauen,
mit denen wir unterwegs sind.
Lehre uns das Notwendige teilen
an Freundlichkeit und Gastfreundschaft.
Und vergib uns unsere Schuld,
sieh nicht nur auf das, Gott,
was wir täglich Dir und anderen schuldig bleiben
an Liebe und Barmherzigkeit.
Höre nicht nur auf das „hinter dem Rücken über andere reden“,
die kleinen gehässigen Bemerkungen,
die vorgefassten Meinungen und Vorurteile,
den Spott, mit dem wir anderen begegnen.
Sieh nicht nur auf den abschätzenden Blick,
die gerümpfte Nase,
das neidische Schielen,
die gerunzelte Stirn,
sondern gib Deinen Geist
in unser Reden und Denken, unser Fühlen und Handeln.
Damit unser Herz erfüllt wird
Von der Liebe zu allen Menschen
Und unser Blick offen wird und frei,
unsere Worte zum Leben helfen
und unsere Taten zu Frieden und Versöhnung beitragen.
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
So wie Du liebst, wollen wir es auch tun.
Weil Deine Liebe unsere Liebe sein soll,
Dein Verzeihen unser Verzeihen,
Deine Güte unsere Güte.
Lass uns laut sagen und in Großbuchstaben in unser Herz schreiben:
WIR WERDEN
WIR WERDEN
Vergeben
WIR WERDEN
Hände reichen - auch über die Mauern in Herzen und Köpfen hinweg.
WIR WERDEN
Alles, was uns verletzt und befremdet, was andere uns schuldig blieben
in deiner unendlichen Liebe versenken
WIR WERDEN
Wo alle schweigen statt das Nötige zu reden, laut die Stimme erheben.
WIR WERDEN
Nicht zulassen, dass menschliche Schuld das Miteinander vergiftet.
Schenke uns Deinen Geist,
damit er unser Leben durchwebt.
Und wir mutig das Ungewöhnliche wagen
Und nicht aufhören, aus dem Verstehen zu leben.
Und führe uns nicht in Versuchung,
Mach uns stark, Gott im Vertrauen zu dir.
Verankere den Glauben in der Tiefe unserer Seele.
Damit wir nicht unsicher darin werden, Deinem Weg zu folgen.
Gib, dass unser Weg gradlinig bleibt,
dass unsere Worte klar sind,
und unser Handeln Deinem Willen folgt.
Wenn Hindernisse vor uns liegen,
mach unser Vertrauen in Dich stärker.
Wenn laute Stimmen um uns werben,
lass Deine Ruhe in uns groß werden,
wenn Dinge uns locken,
breite Deinen Segen als Schutz über uns aus.
Sondern erlöse uns von dem Bösen
Ach, Gott, wir wissen: das Böse kann kommen,
in unser Leben - wie in das Leben anderer.
Not, Krankheit, Unglück - daran tragen wir manchmal schwer.
Gib uns die Erkenntnis,
dass Gut und Böse, Glück und Unglück,
Unbeschwertheit und Not, Gesundheit und Krankheit
wie ungleiche Geschwister sind.
In Lachen und Freude
bewahre uns vor Übermut und Leichtsinn und Gott - Vergessenheit - und lehre uns dankbar zu sein
für alles, was wir genießen dürfen.
In Weinen und Klagen
lass uns nicht in Bitterkeit und Trübsinn und Gott – Verlassenheit versinken –
und gib uns den Mut,
gegen allen Anschein zu hoffen,
damit wir wieder aufstehen können
zum Leben.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Fotos: Martin Saß