Willkommens-Kultur

05. Jul 2015

Bürgergespräch am 1. Juli 201 in Halberstadt

Es ist sicher nicht selbstverständlich am Eingang zum Rathaussaal von einer Superintendentin begrüßt zu werden, am Mittwochabend in Halberstadt war es so. Der Kirchenkreis gehörte ebenso wie die Moses-Mendelsohn-Akademie, das Bürgerbündnis und die Stadt zu den Einladenden dieser öffentlichen Informations- und Diskussionsveranstaltung „Willkommenskultur in Halberstadt“, zu der ca. 150 interessierte Bürger/innen gekommen waren. Cornelia Habisch von der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen-Anhalt übernahm die offizielle Eröffnung.

Bereits im März wurde mit der Halberstädter Erklärung „Vielfalt ist Reichtum“ ein Zeichen gesetzt für ein freundliches Willkommen in unserem Land, in einem Internetvotum fanden sich ca. 750 Unterstützer/innen, allerdings auch knapp 200 Gegner dieses Aufrufs. Von letzteren  war jedoch niemand der Einladung zum Gespräch gefolgt.

Obwohl fünf Persönlichkeiten vorn saßen (Susi Möbbeck, Integrationsbeauftragte des Landes Sachsen-Anhalt; Andreas Henke, Oberbürgermeister; Jürgen Schlicher, Politologe, als Moderator; Angelika Zädow, Superintendentin; Jutta Dick, Moses-Mendelsohn-Akademie) war es keine Podiumsdiskussion, sondern die Teilnehmenden im Saal waren gefragt und sie fragten und berichteten viel.

Die Situation vor Ort war ein Schwerpunkt und dazu zählt zweifellos die seit über zehn Jahren bestehende Problematik des Transports der Asylbewerber/innen vom Bahnhof zur ZAST und während ihres Aufenthaltes hier von dort in die Stadt, immerhin fünf bis sechs Kilometer. Constantin Schnee von der Bahnhofsmission war mit seinen Ehrenamtlichen die Strecke gelaufen, bevor sie sich die Unterkünfte ansahen. Bei ihrem Besuch vor Ort wurde manches Vorurteil als Gerücht enttarnt, vom vermeintlichen Luxus kann nun wirklich keine Rede sein. Die Zahl der Ankommenden ist enorm gestiegen: 1000 Menschen pro Monat sind es derzeit, eine Herausforderung für alle,  auch für die Mitarbeitenden, wie Eckhardt Stein (Leiter der ZAST) schilderte.  Es sind keine Wirtschaftsflüchtlinge, sie kommen aus Kriegsgebieten, teilweise schwer traumatisiert, viele aus Syrien.

Teams von Ehrenamtlichen nehmen Anreisende am Bahnhof in Empfang und bringen sie zu Taxis (die Fahrten werden vom Land bezahlt) oder fahren selbst.

Wegen der ZAST werden dem Landkreis derzeit keine Flüchtlinge zugewiesen, doch diese Regelung ist befristet. Dann werden längerfristige Projekte gebraucht, um den Zugereisten das Einleben zu erleichtern. Jetzt geht es vorrangig um ein menschenwürdiges Ankommen.

Erfreulich und erstaunlich viele Gruppen, Kirchen und Initiativen setzen sich in Halberstadt für eine Willkommenskultur ein. Oft wissen sie nichts oder zu wenig voneinander, eine Koordinierungsstelle wird dringend benötigt. Ein Ergebnis des Abends ist es, dass Andreas Henke zu einer Ideenbörse ins Rathaus einladen wird. Dabei sollen gezielt auch Vereine angesprochen werden. Informationen und Gespräche sind wichtig, es gibt zu viel Unwissenheit über die Situation der Flüchtlinge in ihren Heimatländern und hier.

Ehrenamtliche können manches abfedern, vieles bedarf allerdings politischer Regelungen. Susi Möbbeck konnte über den gerade beschlossenen Nachtragshaushalt des Landes berichten, in dem Gelder zur Verfügung gestellt werden und betonte die Wichtigkeit eines Zuwanderungsesetzes. Es erscheint schon paradox, dass wir einerseits dringend Bevölkerungszuwachs brauchen, andererseits Fremdenangst und –feindlichkeit zuweilen beängstigende Ausmaße annehmen und Gerüchte ohne Wahrheitsgehalt sich ausbreiten. Doch das wäre ein Thema für mindestens einen weiteren Abend und nicht das einzige.

Der 1. Juli war ein gelungener Auftakt zu weiteren Zusammenkünften dieser Art. Viele Probleme konnten nur angedeutet werden: Natürlich geht es immer auch um Kosten, um Gerechtigkeit für Benachteiligte insgesamt, um überbordende Bürokratie, die den Zugang zu möglichen Hilfen erschwert und verzögert. Sogar die verbesserungswürdige Beschilderung für den Weg zur ZAST muss eben „verwaltungskompatibel“ sein.

Am Ende brachten alle im Podium ihre Dankbarkeit für allen Einsatz, alle eingesetzte Phantasie und das bestehende Engagement zum Ausdruck. Der Impuls der Halberstädter Erklärung vom März ist aufgenommen worden:

„Die Geschichte unserer Stadt lehrt uns: Nur Dialog und gegenseitiges Kennenlernen führen zu einem dauerhaften Frieden und zur Bereicherung  der eigenen Kultur und Tradition. … Menschen, die verfolgt werden oder Not leiden und alle, die um Asyl bitten, heißen wir in unserer Stadt freundlich willkommen.“

Ursula Meckel

 

 

 

 

HBS Juli
HBS Juli
HBS Juli

Fotos: Ursula Meckel

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