Wenn dein Kind dich morgen fragt ...

25. Aug 2023

Bitte nehmen Sie die Gelegenheit wahr, erzählen Sie von Gottes Liebe zu uns Menschen und wie wichtig diese Liebe für unsere Welt ist.

„Wo wohnt der liebe Gott?“ „Ist Gott ein Mann oder eine Frau?“ „Friert die Oma eigentlich, wo sie jetzt in der Erde begraben ist?“ „Hast du auch manchmal Angst?“

Kinder fragen. Sie fragen ungeniert, fordernd, spontan. Das ist ein besonderes Talent. Einem Kind geht so viel durch den Kopf, dass wir Erwachsenen manchmal schimpfen, wir bekämen noch ein Loch im Bauch von all der Fragerei: „Da musst du zum Pfarrer gehen, der weiß über so etwas besser Bescheid.“

Schade eigentlich. Denn jede Frage ist eine Chance. Eine Chance, über das Leben und – sofern das Kind nach Gott und Kirche fragt – über die zentralen Fragen meines Glaubens nachzudenken. Zudem ist das Gespräch wichtig für das Kind. Ein Kind macht sich durch Fragen die Welt vertraut. Mit jeder Antwort gewinnt es mehr und mehr Sicherheit. Worauf es keine Antwort gibt, das verunsichert.

Übrigens kann man die Frage auch an das Kind wieder zurückzugeben: „Wie stellst du dir Gott vor?“ „Meinst du, Erwachsene haben keine Angst?“ Es ist erstaunlich, wie kreativ Kinder antworten.

Wenn es gut geht, wird daraus ein „Theologisieren mit Kindern“. Die Methode basiert auf zwei Voraussetzungen. Die eine: Aussagen über Gott, Kirche und Glauben sind in den meisten Fällen keine für immer festgeschriebenen Wahrheiten, vielmehr Ausdruck eines je neuen Nachdenkens. Als Christinnen und Christen sind wir aufgefordert, die Glaubenstraditionen in den Horizont unseres gegenwärtigen Erlebens zu stellen. Aktuellstes Beispiel dafür ist die Frage nach Krieg, Frieden und dem Gewaltverzicht Jesu. Was heißt das für uns heute und für unsere Solidarität mit den Ukrainerinnen und Ukrainern? Die Gespräche an meinem Abendbrottisch sind zurzeit mitunter echt anstrengend…

Die zweite Voraussetzung: Kinder sind keine Gefäße, die es mit klugen Gedanken anderer zu füllen gilt. Kinder besitzen eine ganz eigene Kompetenz beim Blick auf die Welt. Weil unser Glaube mitten hinein in diese Welt gehört, ist kindliches Nachdenken über Gott und die Welt auch für uns und den Weg unserer Kirche wertvoll.

Freilich ist nicht jede Äußerung bereits große Theologie. Aber jede kann dazu helfen, den Glauben zu stärken. Im Spiel der Fragen und Antworten gibt die ältere Generation an die heranwachsende weiter: Da kommen wir her, das habe ich gelernt, davon ist mir jenes wichtig, dort habe ich Zweifel. Mehr aber noch geht es um die gemeinsame Zukunft: Daran glaube ich, das ist dir und mir versprochen, hier ist das Land unserer Verheißung.

Das neue Schuljahr hat begonnen. Unsere Kinder werden mit neuen Fragen nach Hause kommen. „Wenn dein Sohn“, deine Tochter, dein Patenkind, dein Enkelkind, dein Nachbarskind „dich morgen fragt …“ (5. Mose 6,20), dann: Bitte nehmen Sie die Gelegenheit wahr, stellen Sie sich dem Gespräch, erzählen Sie von Gottes Liebe zu uns Menschen und wie wichtig diese Liebe für unsere Welt ist.

Jürgen Schilling