Stille heilt

23. Dez 2022

„Treten Sie ein. Legen Sie Ihre Traurigkeit ab. Hier dürfen Sie schweigen.“

Eine Christnacht nach dem großen Durcheinander eines Jahres. Legen Sie Ihre Traurigkeit ab über die zerschossene Möglichkeit des Friedens. Erklären Sie nichts. Rechtfertigen Sie nichts. Nein – Legen Sie ab. Sie dürfen sich ausschweigen. Einmal nichts geben, sagen oder tun. Das ist so eine verrückte Zeit. So atemlos. So unbarmherzig. So schonungslos. Als ob uns Menschen der Atem ausginge.

Reiner Kunze, einer der kritischen DDR Poeten hat mir diesen Gedanken geschenkt: Stille heilt. Und Bernhard von Clairvaux übersetzt im 11. Jahrhundert die Frage des Leid geprüften Hiob „Was ist der Mensch, dass du ihn groß machst oder gar dein Herz an ihn grenzen lässt?“. Der Mensch ist ein Wesen, an das Gott sein Herz grenzen lässt. Ein intimeres Miteinander, ein zärtlicheres Bild für die Liebe gibt es nicht. Gott liebt über Grenzen hinweg. An Grenzen entlang. Grenzenlos. Und es ist für uns Menschen nicht anmaßend, wenn wir sagen: „Ich liebe Gott auch.“ Grenzenlos. Gott ist die Liebe. Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Das ist Weihnachten. Sich auf die Liebe Gottes zu stürzen, ist eine Chance für die Menschheit.

Die stille Liebe Gottes. Sie wird zum menschlichen Sein. In einem Futtertrog geboren. Um den Stall herum tobt das Chaos. Von dort geht der Friede aus, den die Welt braucht. Da geschieht Versöhnung. In aller Stille. Die Hirten, die Landwirte versöhnen sich mit den Städtern. Die Könige, die Mächtigen verschiedener Kulturen versöhnen die Völker. Es ist eine leise behutsame Kraft von unten. Die Kraft eines Babys. Sie verändert alles. So hoffen wir es auch für jetzt, für heute. Für uns für die Ukrainer, die Russen, die Iraner und viele andere. Wenn doch alle still würden und alles Laute und Kämpferische zum Erliegen käme. Wenn der Ruf des Friedens durchdringen könnte.

Dieses Schreien des neu geborenen Heilands muss doch zu hören sein. Ach wäre das ein schönes Weihnachtsfest. Die Weisheit Salomos weiß zu berichten „Als alles still war und ruhte und es Mitternacht war, fuhr dein allmächtiges Wort vom Himmel herab“. Frieden auf Erden und allen Menschen ein Wohlgefallen. Alle Menschen sind gemeint, egal woher sie kommen und was sie glauben. Es kommt auf die Stille an. Sie heilt.

Treten Sie ein. Jetzt dürfen Sie schweigen. Ich wünsche eine gesegnete Weihnacht.

Diakon Hans Jaekel
Vorstand Evangelische Stiftung Neinstedt

Hans-Christoph Jaekel, Pädagogisch-diakonischer Vorstand der Evangelischen Stiftung Neinstedt

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