Der Geruch des Geistes

21. Mai 2024

Wie riecht eine Tankstelle? Und ein Friseursalon? Und das Wartezimmer eines Arztes?

Herr M. steht an der Zapfsäule der Tankstelle. Ein typischer Geruch – die Tankstelle atmet den Geist halb zurückgelegter Wege. 

Herr D. sitzt im Wartezimmer. Ein typischer Geruch – die Praxis atmet den Geist der Angst, der im Moment den Geist der Hoffnung niederhält. 

Frau S. und Frau K. sitzen nebeneinander beim Friseur, um sich vor Pfingsten die Haare machen zu lassen. Ein typischer Geruch – oder sogar zwei? Für Frau S. atmet der Salon den Geist der Selbstverwirklichung, für Frau K. den Geist der Anpassung an Erwartungen.

Ich sitze zu Hause. Welchen Geist atmet mein Zuhause? Ich frage mich: Wie findet Herr M. zur Entspannung? Wie bekommt der Geist der Hoffnung bei Herrn D. Oberwasser? Wie bekommen Frau S. und Frau K. einen Draht zueinander? Und ich frage mich, wie kann mein Zuhause den Geist atmen, den ich mir dort schon so lange wünsche?

Zu Pfingsten wird in den Kirchen die alte Geschichte von jenem Geist gelesen, der anders riecht: Ein bisschen nach kräftigem Nachtwind. Ein bisschen nach etwas, das ich nicht einordnen kann. Manche bekamen damals plötzliche Hoffnung. Manche änderten ihr Leben. Leute, die in derselben Straße wohnten, die sogar im selben Haus zusammenlebten ohne bisher einen Draht zueinander zu haben, merkten auf einmal, dass dieselbe Lebenskraft sie verbindet – derselbe Geist. Das tat ihnen sehr gut.

Dieser Geist würde auch uns guttun. Öffnen wir also unsere Fenster und Türen für diesen Geist.

Paul Beutel