Ich bete. Seit Donnerstag bete ich.

26. Feb 2022

Ich bete, heute mehr als ich es gestern tat. Und viel mehr als ich es letzte Woche tat.

Ich bete für all die Männer, die noch am Mittwoch an Schreibtischen saßen oder an ihren Arbeitsbänken standen, heute aber Waffen in ihren Händen halten, um ihr Land zu verteidigen.
Ich bete für die Frauen, die gestern noch Wäsche wuschen, als sie von der Arbeit kamen, nun aber ein paar wenige Dinge, die ihnen besonders wichtig sind, in Koffer packen und sich dann auf den Weg machen, um ihre Kinder über die Grenze nach Rumänien, Polen oder die Slowakei in Sicherheit zu bringen.
Ich bete für die Kinder, denn sie werden Schaden nehmen, ohne dass sie versucht haben, die ganze Welt zu erobern.
Ich bete für alle, die Verantwortung tragen. Verantwortung für die Gewalt. Und Verantwortung für den Schutz vor Gewalt.
Ich bete, heute mehr als ich es gestern tat. Und viel mehr als ich es letzte Woche tat.
Ich bete und halte fest an dem irrwitzigen Glauben, dass Gott einen besseren Plan hat mit uns, als das dunkle Bild, das wir meinen, jetzt zu sehen.
Ich bete und ich schäme mich nicht, weiterhin darauf zu vertrauen, dass Gott selbst aus dem Schlimmsten doch irgendwann Gutes entstehen lassen wird.
Ich weiß, Gott braucht dazu mich. Und dich auch. Weil Frieden zerbrechlich ist.
Aber die Liebe ist das Größte.

Superintendent Jürgen Schilling,
aus einer Predigt am Sonntag Estomihi, zu Markus 8,31-38 und 1. Korinther 13,1-13