Zorn gehört dazu, mit ihm umzugehen ebenso

28. Jan 2022

Oft kommt der Zorn mit Wucht und ehe man sich versieht, sagt oder tut man etwas, was man hinterher bereut. Wäre man doch besser mal still gewesen…

So sehr man sich auch anstrengt, meistens gelingt es doch nur vorübergehend, den aufsteigenden Zorn zurückzuhalten. Die sprichwörtliche Zornesröte im Gesicht ist eine Vorbotin, bevor der Zorn mit Macht aus einem herausplatzt. Die Anlässe dafür sind ganz verschieden: der Eindruck, ungerecht behandelt zu werden, eine Unachtsamkeit oder ein falsches Wort eines Mitmenschen, die Ohnmacht angesichts von Unrecht. Oft kommt der Zorn mit Wucht und ehe man sich versieht, sagt oder tut man etwas, was man hinterher bereut. Wäre man doch besser mal still gewesen…

Aus der Unsicherheit heraus, wie dem eigenen Zorn gut Ausdruck verliehen werden kann, und aufgrund der Angst vor seinen Folgen wird er oft runtergeschluckt. Dabei wussten schon die Autoren der Bibel, dass Zorn zum Menschsein dazugehört: „Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“, so heißt es in einem Paulusbrief nach Ephesus. In aller gebotenen Kürze stellt Paulus fest: Es kommt natürlich vor, dass Menschen zürnen. Aber es gilt dabei, auf das Maß zu achten und keine verbrannte Erde zurückzulassen. Am Ende des Tages soll man den Blick heben und der anderen Person wieder in die Augen schauen können.

Wie abwegig das manchmal klingt, begegnete mir neulich in der Comedy-Serie „Merz gegen Merz“. Dort streitet das Ehepaar Merz viel miteinander, was nicht weiter verwundert, da es in Trennung lebt und das nicht die einzige familiäre Baustelle ist. Wortgefechte und der Versuch, das Leben dem anderen schwer zu machen, bestimmen das Miteinander. Ihr Sohn möchte es anders machen: „Wir wollen nie zerstritten ins Bett“, so behauptet er es zusammen mit seiner Freundin. Die Eltern schauen ihn daraufhin entgeistert an. Dabei haben sie vermutlich auch probiert, am Abend nicht zornig ins Bett zu gehen – man spürt, wie tief die Liebe und Verbundenheit der beiden zueinander noch sind. –, es scheint nur nicht immer geklappt zu haben.

Am Abend ist vielleicht noch nicht mal der erste Ärger verflogen. Die Ereignisse, auch die Scham wiegen noch so schwer, dass ein erster Schritt aufeinander zu nicht möglich ist. Auch das ist menschlich. Nur am nächsten Tag sollte man dann wirklich das Gespräch suchen und Schritte aufeinander zugehen. Denn auch das stimmt: Zorn kann über Nacht verrauchen, seine Ursachen und auch der Schaden, den er manchmal anrichtet, in aller Regel nicht.

Saskia Lieske