Erntedankfest

30. Sep 2023

Aus Dankbarkeit wächst Verantwortung

„Er ist auf dem Acker groß geworden“ – an was für einen Menschen würden Sie denken, von dem so etwas gesagt wird? Vielleicht denken Sie an die viele Arbeit, die ein Acker macht. Vielleicht denken Sie: Das muss ein ziemlich alter Mensch sein, der hat als Kind noch am Feldrain gesessen und den Bauern bei der Arbeit zugesehen. Oder Sie denken: Das ist nicht der schlechteste Platz zum Groß-Werden. 

Ich selbst kenne niemanden mehr, der so von sich reden würde. Und jetzt zum Erntedankfest spielt der Acker auch nicht mehr die große, zentrale Rolle. Erntedankfest, da geht es ja nicht nur um die Arbeit auf dem Acker und ihre Früchte. Da geht es auch um Wasser und Trockenheit, es geht um veränderte klimatische Bedingungen, es geht auch darum, was eigentlich auf einen Acker heutzutage gehört: „Halm und Ähre“ oder Biomasse oder ein großflächiges Sonnenkraftwerk? 

Alles das findet sich heute auf dem Acker. Und es geht um den Segen und die Treue Gottes. Wir schmücken Gemeinden und Kirchen mit Erntekrone, Gartenfrüchten und den schönen Farben des Herbstes. Wir nehmen uns den Moment Zeit für die Dankbarkeit: Ich habe doch viel mehr, als ich mir selbst erwerben könnte. Dafür bin ich von Herzen dankbar. Und was da auf den Äckern geschieht, berührt mich in vielfacher Weise: Es ist mein Land, in dem ich täglich lebe. Es ist das Land, das auch durch uns seine Gestalt verändert. Es ist das Land, das auch den nächsten Generationen eine Heimat werden wird. 

Aus der Dankbarkeit wächst auch die Verantwortung. Und Verantwortung lässt sich nicht lernen ohne Dank im Leben. Was mich persönlich beim Erntedankfest auch so sehr berührt: Die große Veränderung, die sich auf den Feldern vollzieht. Alles wird anders, und es ist gut. In einer Zeit, in der Veränderungen eher Befürchtungen auslösen, eine wohltuende Erfahrung. Ich werde keiner, der „auf dem Acker groß geworden“ ist. Das gibt es wohl nicht mehr. Aber immer wieder macht das Land, von dem ich leben darf, etwas aus mir und verändert mich.

Christoph Carstens