Misslingende Gespräche

02. Jun 2023

Sicher kennen Sie das: Gespräche, die zu Ende sind, bevor sie angefangen haben...

Sicher kennen Sie das: Gespräche, die zu Ende sind, bevor sie angefangen haben. Menschen reden aneinander vorbei; keiner hört richtig zu; nichts vom Gesagten kommt wirklich an. Die Urteile, Vor-Urteile, Ver-Urteile sind längst gefällt. Dazu oft die niederträchtige Behutsamkeit, wenn über einen Menschen geredet wird statt mit ihm.

Ich habe überlegt, warum es so viele misslingende Gespräche gibt. Vielleicht, weil das Direkte und Auseinandersetzungen vermieden werden sollen.

Ich jedenfalls scheue zuweilen offene Worte und ich weiß auch warum: Die oder der andere könnte sich verletzt zurückziehen oder im Gegenzug mich verletzen. Im schlimmsten Fall bricht die Beziehung ab, dann fühle ich mich verlassen und schuldig. Davor fürchte ich mich, das möchte ich nicht.

Dabei weiß ich: Verschweigen endet in Sackgassen; offene Worte ermöglichen Zukunft. Manchmal müssen Menschen sich auseinander-setzen, um sich wieder zusammen-setzen zu können. Wenn Störungen im Miteinander „unter den Teppich gekehrt werden“ wird es alsbald „zum Himmel stinken“.

In der Seelsorgeausbildung wird unter anderem gelehrt: „Störungen haben Vorrang“. Das bedeutet: Bevor die nicht geklärt sind, kann nicht gut zusammengearbeitet werden. Ehrliche Kritik ist ein Zeichen des Vertrauens. Ich mute dem anderen zu - und er mir - dass die Belastung ausgehalten werden kann. Ich entdecke Kritik als Zeichen der Wertschätzung, des Ringens umeinander. Wenn ich jemanden „angreife“, „anfassen“ möchte, wünsche ich mir ja eigentlich Berührung, also Nähe.

Meine Erfahrungen besagen: Wenn ich kein Risiko eingehe, kein Vertrauen wage, dann schützt mich das vielleicht vor schlechten Erfahrungen, allerdings um den Preis, dann auch auf die Guten verzichten zu müssen. Ich ertappe mich beim Abwägen der Gefahren, denen ich nicht entgehen kann.

Jesus ist immer wieder auf Menschen zugegangen, die überhaupt kein Vertrauen verdienten. Er hat - durch alle Enttäuschungen hindurch - das letztlich lebensbewahrende Vertrauen zu Gott, für uns Menschen. Wer Gott vertraut, kann menschlich mit anderen umgehen.

Ich weiß: Enttäuschungen wird es immer geben. Dennoch: Ich möchte um keinen Preis ohne die guten Erfahrungen leben.

Ursula Meckel