"Wie schön du doch bist!" und "Lebenswasser"

23. Jun 2023

Gedanken zum Taufen und zum Johannistag

„Ich seh‘ dich – mit all deinen Farben und deinen Narben hinter den Mauern. Ja, ich seh‘ dich. Lass dir nichts sagen, nein, lass dir nichts sagen. Weißt du denn gar nicht, wie schön du bist?!“ Sarah Connors Lied ist eine Liebeserklärung. Da macht jemand deutlich, dass sie mehr als das Offensichtliche im anderen Menschen sieht. Dass sie die Traurigkeit hinter der Fröhlichkeit im Blick hat. Um die Brüche und Verletzungen im Leben weiß. Die Sommersprossen im Gesicht des Gegenübers perfekt sind. Wie schön du doch bist!
Ist doch klar, könnte man einwenden. Muss man das immer wieder extra sagen?! Nun, vielleicht schon, wenigstens ab und zu. Es tut gut, die Liebe des anderen nicht nur zu spüren, sondern auch aus seinem Mund zu hören. Eine Liebeserklärung bleibt in Erinnerung, gibt Sicherheit, lässt das Herz höherschlagen.

An der eigenen Liebenswürdigkeit kommen manchmal allzu schnell Zweifel auf. Dann sieht man all das Unperfekte an sich selbst, nimmt die eigenen Fehler und Grenzen wahr, verdreht von sich selbst genervt die Augen. Die Menschen um einen herum tun mit ihren Worten und Blicken manchmal ihr Übriges. Liebenswert und tatsächlich geliebt zu sein, ist von Zeit zu Zeit nicht viel mehr als eine leise Hoffnung. Umso kraftvoller ist gerade dann eine Liebeserklärung.

Die Taufe ist so eine Liebeserklärung. Dass Gott jeden Menschen liebt, ist eigentlich ganz klar – in allen Farben, mit allen Narben und trotz allen Grenzen. In der Bibel wird an unzähligen Stellen von befreienden Begegnungen berichtet, bei denen Gott seine ungeteilte Aufmerksamkeit einem Menschen schenkt, wie neue Anfänge möglich werden, Schuld abgenommen wird, Gott liebevoll hinter die Fassaden schaut. Was zu biblischen Zeiten für die Beziehung zwischen Gott und den Menschen galt, trifft auch heute noch zu. Gottes Liebe steht felsenfest. Und dennoch tut es gut, Gottes Liebeserklärung zu hören: „Du bist mein geliebtes Kind. Ich bin bei dir, jeden Tag, bis ans Ende der Welt.“ Wenn heute, am Johannistag, an vielen Orten in unserer Gegend Menschen getauft werden, wird ihnen genau das zugesagt: Gottes Ja. Manche werden sich später daran erinnern, bei anderen hören die Eltern und Paten ganz genau hin und erzählen es später ihrem Kind.
Noch schöner wird eine Liebeserklärung, wenn sie nicht verhallt, sondern vom anderen auch erwidert wird. Und auch das passiert bei der Taufe. Auf das unverrückbare Ja Gottes antworten die Täuflinge mit ihrem eigenen Ja: Ja, ich will diesem göttlichen Versprechen trauen, mit Gott in meinem Leben rechnen und mit dem Rückenwind seiner Liebe durchs Leben gehen.

Saskia Lieske

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Lebenswasser

Heute am Johannestag, 24. Juni, lassen sich 20 Kinder, Jugendliche und Erwachsene am Ditfurter See taufen. Das regionale Tauffest mit Gottesdienst, Musik und Picknick will ein Zeichen setzten. Auch wenn sich kirchlich-christliche Traditionen auf dem Rückzug befinden und ihre Rituale - die sogenannten Kasualien wie Taufe, Trauung und Bestattung - immer weniger nachgefragt werden: Christlicher Glaube ist lebendig. Er entdeckt seine Ursprünglichkeit und Unmittelbarkeit wieder. Auch und gerade außerhalb der Kirchenmauern. Bei Johannes dem Täufer und bei Jesus selbst war es ja auch so. Getauft wurde draußen unter freiem Himmel. Im Jordan.
Sich taufen zu lassen – und damit Christ zu werden – wird mehr denn je zu einer bewussten Entscheidung. Entscheidung wofür? Dass mein Leben einen tieferen Sinn hat. Und bekommen soll. Nicht allein für mich selbst. Sondern für die Welt, in der ich lebe.
Denn ist es nicht immer wieder so, dass ich gefragt werde oder mich selbst frage, worauf es denn eigentlich und im Grunde im Leben ankommt?
Dann werde ich hoffentlich antworten, dass es auf Menschlichkeit ankommt. Auf die Verbundenheit allen Lebens. Darauf, dass alles, was lebt und leben will, einen gemeinsamen Ursprung, einen Urgrund hat, den ich Gott nenne.
Ein wunderbares Symbol dafür ist das Wasser. Ohne Wasser kein Leben. Denn um echtes, wahres, tiefes, reines, erfrischendes Leben geht es in der Taufe. Ein Leben, wie es Jesus von Nazareth gemeint hat.
Schön, dass das viele Menschen zu spüren bekommen. Heute Nachmittag am Ditfurter See. Und überall dort, wo an diesem Wochenende Menschen Ja sagen zu einem Leben, das aus Gott schöpft. Der Quelle allen Lebens.

Christian Plötner