Freundlichkeit und friedliches Miteinander

28. Jun 2024

Verkehre doch freundlich mit ihm und halte Frieden; dadurch wird Gutes über dich kommen. Hiob 22,21

Schon lange hatten mein Mann und ich uns auf eine kleine Auszeit gefreut. Wir sind auf den Brocken gewandert, um dort zu übernachten. Ich nehme die Pointe vorweg, es war großartig!

Es war aber auch die Woche nach der Europa- und Kommunalwahl. So wanderten ein paar Sorgen mit hinauf auf den höchsten Gipfel Norddeutschlands. Schon als Grundschulkind aus dem Flachland hatte mich die Zahl der Höhenangabe dieser höchsten Erhebung der DDR fasziniert: unvorstellbare 1141m! Aber warum ich dort nicht hindurfte, um mir das Wunder anzusehen, konnte mir kein Erwachsener plausibel erklären.

Was hatte dieser Sehnsuchtsberg der Deutschen nicht schon alles gesehen: Goethe, Heine und andere Schriftstellerkollegen. Ausflügler und Naturforscher, Grenzsoldaten, Geheimdienstler und Besatzer, Ranger und Wissenschaftler. Am 3. Dezember 1989 hatten friedliche Demonstranten die Öffnung des höchsten innerdeutschen Grenzzaunes erwirkt und wurden von den russischen Grenzsoldaten mit heißem Tee bewirtet. Was für eine Szene!

Wandernd hing ich meinen Gedanken nach. Nach und nach trat der Anblick der toten Bäume in den Hintergrund. Der Schönheit der Natur konnte die Trostlosigkeit des Baumsterbens nichts anhaben. Immer deutlicher konnte ich es sehen, wie grün und kräftig neue Bäume verschiedener Größen emporwuchsen. Ganz ohne menschliches Zutun entwickelte sich neues Leben. Kurz vor dem Gipfel weitete sich der Blick über unser schönes Land. Fröhliche Ausflügler grüßten einander freundlich und auf dem Gipfel hörte man fremde Sprachen. Manchmal ist das Leben so friedlich und sommerlich leicht!

Diese Atmosphäre erinnerte mich an die Hochzeit meines Neffen vor zwei Jahren. Es war eine große internationale Festtagsgesellschaft versammelt und es gab ein fröhlich-babylonisches Sprachengewirr aus Deutsch, Englisch, Vietnamesisch, Spanisch und trotzdem ein selbstverständliches Verstehen und ein verbundenes Miteinander aller Gäste.

Manchmal habe ich Angst, dass Hass und Missgunst, Gewalt und Hetze solche freundliche Mitmenschlichkeit niederbrüllen und niedertrampeln könnte. Es liegt an jedem Einzelnen, der Freundlichkeit und dem friedlichen Miteinander Raum zu geben und ihre Geschichten weiter zu erzählen.

Kristin Heyser