Beistand und Gegenüber

03. Mai 2024

Mensch und Mensch sind als Gegenüber füreinander gedacht. Zum Widersprechen, zum Bestärken. Zum Beistand, zur gegenseitigen Vertretung. Der nächste Mensch dem nächsten Menschen.

Mein Gegenüber nehme ich ernst. Im Guten und im Schlimmen. Manchmal weiß ich schon vorher, was gleich kommt: Der Einwand. Die bekannte Frage. - Ist dies zu langweilig? Manchmal erschrickt mich mein Gegenüber. Dann brauche ich Zeit für meine Antwort. Währenddessen gehen meine Gedanken hin- und her. Energie ist im Kopf. Und die Seele ist bewegt. Gott sei Dank.

Mein Gegenüber: Gott ist dem Menschen ein Gegenüber. Das geht von Gott aus, so heißt es in den Heiligen Schriften. Gott will den Dialog. Und was will ich? Will ich mit Gott sprechen? So aus dem Leben heraus und mitten im Leben? Dann trete ich in den Dialog ein, also: in den Glauben. Ich werde Gottes Gegenüber. In Rede und Gegen¬rede. Ich kann antworten. Kann fordern, fragen. Kann anklagen, kann erinnern. Und, ach ja: Kann danken, annehmen. Mir zu Gemüte führen. Im Dialog mit Gott bin ich, wenn ich einen Psalm spreche. Wenn ich bete. Wenn meine Seele arbeitet.

Mein Gegenüber: Mensch und Mensch sind als Gegenüber füreinander gedacht. Zum Widersprechen, zum Bestärken. Zum Beistand, zur gegenseitigen Vertretung. Der nächste Mensch dem nächsten Menschen. Da soll keiner weniger gelten als der andere, der Fremde nicht, der Stadtbekannte nicht. Also einander beherzt ansprechen. Auch Schwieriges ansprechen. Das geht mit Respekt. Da können wir uns treffen. Treffen, auch im wunden Punkt. Gespräche sollten wir uns nicht selbst verbieten. Wie aber kommen wir zu Respekt? Wie bleiben wir dabei?

Ich sollte zurück weisen, was mich beleidigt. Sollte selbst weder demütigen noch beschämen. Ich wünsche mir dies in jeder Debatte. Ich wünsche mir dies für Parlament und Demonstration. Von Jesus, unserem Meister sind uns gute Worte überliefert worden. Seine Worte, die sehr nachdenkens¬wert sind, stammen aus Gesprächen. Manchmal erfahren wir Namen, den Beruf, manchmal den Gesundheitszustand des Gegen-übers. Und das Anliegen. Die Not. Das Eigentliche. Dann antwortet Jesus mit Wort und Tat. Eben¬bürtig und respektvoll gegenüber Mann und Frau, gegenüber Reichen und Schrift¬gelehrten. In Verantwortung vor Gott war Jesus ein Meister des Gesprächs. Wenn wir nun davon lesen, sollten wir nicht gering von denen denken, die Jesus ins Gespräch ziehen. Weder von Jüngern noch von Pharisäern, noch vom Volk.

Mein Gegenüber nehme ich ernst. Auch zu Hause. Frau und Mann können respektvoll zusammen leben. Sich beistehen und einander widersprechen. Sich austauschen. Kein Haussegen muss deshalb schief hängen. Im zweiten Kapitel der Genesis lesen wir: „Ich will ihm (dem Menschen) einen Beistand machen als Gegenüber.“ Allerdings wird in der Lutherbibel übersetzt: „Ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“ Und dies klingt, als sei der Beistand (die Frau) zum Kleiderbürsten und Schuheputzen gedacht.

Wir können beten mit Psalm 119, Verse 173 und 175
Gott, deine Hand lass mir beistehen. Denn ich habe erwählt deine Befehle.
Lass meine Seele leben, dass sie dich lobe. Dein Recht lass mir helfen.
Amen. So soll es sein.



Hannah Becker