Wachet und betet

Bleib dran! So viele Menschen und Themen brauchen derzeit unsere Aufmerksamkeit: die Kinder und ihre Sehnsucht nach unbeschwerter Zeit, die alternden Eltern, die Freundin, deren Krebs zurück ist, der Kollege, der in Trennung lebt, die Arbeitsstelle, das Herzensprojekt. Es gibt so viele Nöte, die unsere Aufmerksamkeit fordern. Verlockend erscheint da manchmal der Gedanke, einfach Augen und Ohren zu schließen, um nichts mitzubekommen und unbekümmert weiterzumachen. Schließlich sind die eigenen Sorgen schon groß genug. Aber das Herz richtet die Aufmerksamkeit auf die Nöte der Mitmenschen. Ach, könnte man doch ihnen allen gerecht werden und etwas von der Last abnehmen. Stattdessen ist da jedoch fast täglich die Erfahrung, wie begrenzt die eigenen Möglichkeiten sind. Das macht müde.

„Wachet und betet!“ Seinen Tod muss Jesus allein sterben, aber es wäre schön, wenn seine Freunde wenigstens in seiner Nähe wären. Deshalb bittet Jesus drei von ihnen am Vorabend seines Todes bei ihm zu bleiben. Nach nervenaufreibenden Monaten und dem letzten Abendessen mit ihm sind die Jünger am Ende ihrer Kräfte. Statt zu wachen und zu beten fallen ihnen vor lauter Müdigkeit die Augen zu. Nach vielen vor Sorgen durchwachten Nächten ist der Punkt erreicht, wo die Seele nicht mehr kann. Sie braucht den Schlaf, um überhaupt durch den nächsten Tag zu kommen.

Jesus bleibt währenddessen wach und betet, damals wie heute. Er wacht zusammen mit allen, die keinen Schlaf finden: Den Menschen in den Bunkern. Den Flüchtenden, die Tag und Nacht unterwegs sind, um Sicherheit zu finden; sie kommen aus der Ukraine oder hängen an den Außengrenzen der EU fest. Den Menschen, denen Krankheit den Schlaf raubt. Den Trauernden. Den Einsamen. Jesus bleibt mit ihnen gemeinsam wach und betet nonstop für sie. So wie es in einem Abendlied heißt: „Einer wacht und trägt allein ihre Müh und Plag, der lässt keinen einsam sein, weder Nacht noch Tag.“

Saskia Lieske