Opferkerzen

23. Okt 2021

Gemacht um zu leuchten, zu zittern, zu rußen, zu brennen und sich selbst zu verbrauchen

Manchmal geht man in eine Kirche und zündet eine Kerze an. Zum Beispiel im Dom zu Halberstadt. Weil man eine Bitte auf dem Herzen hat oder sich um einen Menschen Sorgen macht. Es gibt Kirchen, da sind die Kerzen nur noch aus LED. Man muss einen Fünfziger in den Automaten stecken und dann leuchtet eins der Lämpchen für eine bestimmte Zeit. Bei uns im Dom ist es noch nicht so weit, wir haben noch die echten Kerzen.

Und das sind wunderbare Symbole. Weil sie ein lebendiges, warmes Licht geben. Sie flackern, sie atmen und die Flamme wird groß, manchmal ganz klein. Wie das Leben und wie die lebendige Seele in dir. Im Wachs der Kerze ist Energie der Sonne gespeichert und durch das Feuer wird sie wieder frei: sie wird zu Licht und Wärme und Gas und am Ende ist die Kerze verschwunden, bis auf ein paar Tropfen.

Wir Christen sehen in der Kerze auch ein Symbol für Christus. Weil er gesagt hat: ich bin für die Welt wie das Licht und möchte ein Feuer unter euch entfachen. Und er hat sich dahingegeben. Wie die Kerze hat er sich selbst verbraucht, sich selbst geopfert. Für uns. Heißen die kleinen Lichter in den Kirchen deswegen Opferkerzen?

Manche haben zu Hause schön geschmückte Kerzen von der Hochzeit oder vom runden Geburtstag. Aber sie werden nie angezündet. Manche stehen in der Schrankwand und sind noch wie neu. Das sieht zwar schön aus, aber es widerstrebt dem Sinn der Kerze. Sie ist nicht gemacht, um im Schrank zustehen. Sondern um zu leuchten, zu zittern, zu rußen, zu brennen und sich selbst zu verbrauchen für uns. Eine Kerze im Schrank ist wie ein Mensch, der sein Leben behalten will. Jesus aber hat gesagt: Wer es behalten will, wird es verlieren. Oder wird es nie finden. Wird vielleicht nie zu seinem eigentlichen Sinn durchdringen.

Wir sollen wie brennende Kerzen sein: für andere da sein, das Bekommene weitergeben, nicht sparen um uns selbst zu erhalten und das alles in dem Wissen, das ein jegliches seine Zeit hat.

Arnulf Kaus