Internationaler Frauentag

08. Mär 2021

Die Bibel beginnt mit einem Höhepunkt, an dem Mann und Frau die Bühne der Weltgeschichte betreten, nebeneinander und gemeinsam das Bild des schöpferischen Gottes.

Alice Schwarzer findet den gut; aber nicht so gut findet sie, dass das mit dem Datum 8. März vor 100 Jahren eine kommunistische Erfindung ist. Die politisch linke Wurzel ist ein Umstand, denn manche Frau als Makel ansieht, mancher Mann ebenso. Meine Mutter wollte weder mit Frauen- noch mit Muttertag etwas zu tun haben, ihr genügte, wenn sich alle vertragen und alle ihren Platz haben. Und Frau R. und Frau S. finden den Tag gut, sie kennen es nicht anders bei ihrem Alter – beide sind ca. 70 – und verbinden mit dem Frauentag mehr als nur einen Blumenstrauß.
Die biblischen Schriften finden ihren Höhepunkt keineswegs in der Festlegung: „Die Frau schweige in der Gemeinde“ (1. Korinther 14,34), die aus der Feder des Paulus stammt und noch ein paar Steigerungen in anderen neutestamentlichen Schriften gefunden hat. Sondern die Bibel beginnt mit einem Höhepunkt, an dem Mann und Frau die Bühne der Weltgeschichte betreten, nebeneinander und gemeinsam das Bild des schöpferischen Gottes. Das bedeutet für eine christliche Gemeinde heute: Mann und Frau sind genau das: Mann und Frau, aber sie tauschen miteinander den Auftrag, den sie gemeinsam im Glauben haben. Sie nehmen und geben.
Dass das manchmal eines gewissen Nachdrucks bedarf, kann man am Lukasevangelium erkennen. Da sind deutlich mehr Frauen unterwegs als in den anderen Evangelien. So erzählt das Evangelium zum Beispiel als einziges von dem Besuch der Maria bei Elisabeth, der Mutter des Johannes. Und von Maria wird ein ganzer Psalm wortwörtlich überliefert: „Meine Seele erhebt den Herrn!“ (Lukas 1,46)
So bleibt es also dabei: Wenn die Verhältnisse so sind, dass Frauen das Nachsehen haben, dann gehören die Verhältnisse geändert. Das lässt sich nicht mechanisch machen, indem sozusagen immer Halbe-Halbe gemacht wird. So etwas kann als Grundeinstellung helfen, aber in der konkreten Situation kommt es darauf an, dass gefragt wird: Wer kann das, wer macht das, wer findet die Lösung und wer ist verlässlich?
Sicher geht es noch um mehr. Glauben heute braucht viele Stimmen. Und die Stimmen dürfen nicht alle gleich sein. Und sie müssen alle hörbar sein, also wirklich Stimmen sein. Denn aus den vielen verschiedenen Stimmen setzt sich das zusammen, was Gott sagen will: Füllt die Erde und seid ihre Herrschaft, Meisterin und Meister der Fische, der Vögel und aller Tiere. (1. Mose 1,28)

Schöpfer der Welt, freudestrahlende Mutter des Lebens, ewiges Licht: Gib uns die Kraft deines lebendigen Atems, dass wir lernen, als Menschheit aus Frau und Mann und vielerlei Gestalt die Krone deines Schaffens zu sein. Amen.

Christoph Carstens