Einander zum Engel werden

23. Apr 2021

Engel sind Sinnbilder von der Zuneigung Gottes, von der Geborgenheit des Glaubens. Engel sind eine Geste; sie deuten das Geheimnis an, auch wenn sie es nicht preisgeben.

„Mensch, da hast du aber einen Schutzengel gehabt!“ heißt es manchmal, wenn jemand einer gefährlichen Situation nur knapp entronnen ist. Vielleicht ist es nur so dahingesagt, das mit dem Engel, aber auch sonst sind sie aus unserer Alltagssprache nicht ganz verschwunden. „Du bist ein Engel!“ wird zuweilen halbernst gesagt und ich vermute dahinter eine Sehnsucht, auch heute, mitten in unserer modernen Welt, Engeln zu begegnen.
Sie sind wieder sehr in Mode gekommen; in unterschiedlichsten Formen, Farben, Materialien. Engel sind nicht fassbar, nur ihr Wirken lässt sich erfahren. Sie schützen und ermutigen, bringen Gottes Liebe nahe. Vielleicht mag es kindlich klingen, doch ich glaube, dass wir Engel brauchen und dass es sie gibt. Es sind Sinnbilder von der Zuneigung Gottes, von der Geborgenheit des Glaubens. Engel sind eine Geste; sie deuten das Geheimnis an, auch wenn sie es nicht preisgeben.
Engel zeigen Möglichkeiten des Lebens, wenn alle Wege verschlossen scheinen. Im Morgengebet Martin Luthers heißt es: „Dein heiliger Engel sei mit mir, dass der böse Feind keine Macht an mir findet.“ So hat er jeden Tag begonnen.
Das ist keine Garantie für ein sorgenfreies Leben, als könnte nichts passieren, weil die Schutzengel schon aufpassen werden. Es ist das Vertrauen: Ich bin nicht allein auf den Wegen des Lebens. Ich bleibe behütet im Auf und Ab des Alltags, trotz aller Probleme, Gefahren und Anforderungen.
Mir ist aufgefallen, dass bildliche Darstellungen von Engeln sie häufig musizierend zeigen. Das hat sicher seinen Sinn. Die Musik der Engel ist wie eine Melodie in der Dunkelheit. So wie in der Märchenoper „Hänsel und Gretel“ beim Nachtgebet der verängstigten Kinder. Mitten in einer Welt voller Hass und Streit und Angst ertönt leise eine Melodie von Frieden und Hoffnung. Der Gesang der Engel verrät: Es gibt mehr als das, was wir sehen. Wir bleiben gehalten von Gottes Hand.
Engel haben in aller Regel keine Flügel, sondern ganz handfest Arme und Beine und ein menschliches Antlitz. Manchmal begegnen wir ihnen, manchmal sind wir es selbst für andere: Engel, die helfenden Boten Gottes.
Das Bild von den beflügelten Engeln ist fest in unseren Vorstellungen verankert. „Mag sein, dass wir Menschen nur halbe Engel sind, mit einem Flügel“, heißt es in einem Gedicht. „Um fliegen zu können, müssen wir einander umarmen.“
Ein schönes Bild, wenn Menschen - liebend, umarmend - anderen zum Engel werden.
Ursula Meckel