Vom stillen Samstag zum Osterfest

10. Apr 2020

… Ostern fällt nicht aus. …. Ostern ist nicht abgesagt. … Ostern kann man auch nicht verschieben. Ostern ist bereits geschehen, damals in Jerusalem.

Stiller Samstag

Ich schließe die Augen und spitze die Ohren, höre mehr Spechte klopfen als sonst und die ersten Hummeln brummen. Aber: es ist eigentümlich leise. Heute, zwischen Karfreitag und Ostersonntag, ist der „Stille Samstag“. Während in den letzten Jahren immer wieder öffentlich darüber gestritten wurde, ob man endlich mit der Tradition brechen dürfe, dass an diesem Tag Tanzveranstaltungen verboten seien, zwingt uns in diesem Jahr ein klitzekleines Virus in die Ruhe. Leise Gespräche auf der Straße – mit Sicherheitsabstand, versteht sich. Digitale Familientreffen am Computerbildschirm: respektvoll wird darauf geachtet, dass jeder nacheinander zu Wort kommt - anders funktioniert das nicht. Mancher schreibt sogar wieder Briefe; leise kratzend fährt der Stift übers Papier und erzählt vom Wert von Liebe und Freundschaft. Alles ist stiller, langsamer. Sogar das Geschrei der Populisten geht in dieser Ruhe unter.
Mancher sieht in dieser Krise eine Einladung, sich in Demut zu üben, vergleicht die Corona-Pandemie mit dem Drama des Titanic-Untergangs, der die Menschen auf brutale Weise daran erinnerte, dass die Natur stärker ist als der menschliche Wille, sie zu beherrschen. Viele von uns nehmen plötzlich wieder wahr, dass die Sucht nach Profitmaximierung in einer Krise ihre hässliche Fratze zeigt: im Gesundheitswesen allzumal. Es wird stiller im Land. Vielleicht auch aus Angst, was da noch auf uns zukommt: Beatmungsnotstand auf der Intensivstation. Firmensterben. Echte Zukunftsangst.
Ich schließe die Augen und spitze die Ohren und höre in mir mehr Stimmen der Zuversicht als der Furcht. Lasse in mir die Erinnerung an die Osternacht lebendig werden, die seit Jahrhunderten in der Quedlinburger Stiftskirche gefeiert wird. Steige im Geiste aus dem dunklen Kirchenschiff hinauf in den erleuchteten Hohen Chor und höre auf die Worte meiner Bibel, die von Jesus erzählt, der so schrecklich starb, der hinabstieg in das Reich des Todes und das Leben und die Liebe Gottes sogar dorthin brachte. Ich lasse mich wieder neu daran erinnern, dass er in den stillen Morgenstunden den Frauen begegnete, die sich um seinen Leichnam kümmern wollten. Was er ihnen und uns sagt: Fürchtet Euch nicht! Ich schließe die Augen und spitze die Ohren und lasse diesen Satz in mir klingen…

Pfarrer Matthias Zentner, Krankenhausseelsorger am Harzklinikum Quedlinburg

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Ostern – Fest der Auferstehung
Die Kirche ist auf. Meine, für die ich zuständig bin. Andere machen auch auf. Ich habe mir dafür ein paar Sachen in Erinnerung rufen müssen, oder überhaupt erst neu angewöhnen: Hände desinfizieren; Tür offen lassen, damit die Leute sehen: Jetzt ist auf und ich kann eintreten, ohne Handschuhe überziehen zu müssen; eine leere Kirche haben: einerseits nicht das richtige Format für ein so großes Gebäude, das für Versammlungen entworfen und gebaut worden ist, andererseits den verschwenderisch großen Raum genießen, in dem gar nichts passiert und doch so viel gegenwärtig ist. Und ich muss mir angewöhnen, nicht mitzuzählen: Wie viele nutzen das Angebot der offenen Kirche an einem normalen Werktag – zwei, zehn, niemand? Und dann wieder: Auf Abstand bleiben, wenn jemand ein Anliegen hat, Gespräch über zwei Meter Zwischenraum. Nach den ersten Wochen haben sich die Regeln eingespielt. Aber das Ungewöhnliche bleibt – offene Kirche in einer Zeit, die kaum noch Öffentlichkeit kennt und wo die Menschen an der Post, an den Apotheken und Bäckereien weit auseinander gezogene Warteschlangen bilden, als käme ein jeder aus einer anderen Welt. Ein bisschen sind wir jetzt alle zu Aliens geworden, Außerirdische, die sich unsicher wie auf fremdem Untergrund durch die Straßen bewegen. Und ich mache die Kirche auf und mache ein, zwei Stunden nichts anderes als: Kirche auf. Und nun wird es Ostern. Der leise Karfreitag mit seiner immer wieder ergreifenden Nachricht: Das geht dich etwas an, was da geschah in weiter Ferne, als Jesus das Kreuz trug und das Kreuz ihn. Und das helle Osterfest, an dem zu nachtschlafener Zeit die Glocken läuten, als hätten wir Wichtigeres zu tun, als an einem langen Wochenende lange auszuschlafen. Wie schön das alles ist! Wie unmittelbar in seiner Klarheit, wie einfach: die Jesus-Geschichte, die den Tod nicht ausspart, um vom Leben zu erzählen. Und ich weiß: Das ist in diesem Jahr nicht anders, aber es geht anders damit zu. Die Kirche wird wieder offen sein. Andere auch. Es wird nicht gezählt, wer sie betritt. Es wird nicht zuerst gefragt, ob das jemand braucht. Es ist einfach so. Ich muss zwar aufschließen, der Küster muss alles herrichten. Aber es muss nicht funktionieren, so wie eine Urlaubsreise funktionieren muss und nun nicht funktionieren kann. Die Kirche ist auf. Als Zeichen für Karfreitag und Ostern. Und ich finde wieder: Eine Kirchentür aufzumachen und hineinzugehen ist doch noch etwas anderes, als sich ein paar gute Gedanken zu machen. Gute Ideen für die freien Tage gibt es viele, dieses Jahr reduziert auf ein paar wenig. Aber freie Zeit hat, wie auch immer, ihren Charme. Ich finde eine offene Kirche. Eine, die mehr weiß von Ostern, als ich mir selbst bescheren kann. Ihnen allen frohe und gesegnete Ostern! Und ein gutes, dankbares Gespür für alles das, was auch in diesen Tagen unermüdlich für uns geleistet wird.

Christoph Carstens
Pfarrer in Quedlinburg und Westerhausen

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Denkmal zu Ostern
Denk mal …
Da ist Ostern und die Kirchen sind leer.
Da rufen die Glocken in der Nacht der Auferstehung und am Osterfeuer entzündet eine Pfarrerin allein die Osterkerze.
Denk mal …
Da brennt eine Osterkerze und keiner gibt das Licht weiter.
Da ist Ostern und die Kinder suchen keine Ostereier im Pfarrgarten.
Denk mal …
… so kann, so wird es in diesem Jahr sein, aber ich möchte Sie einladen genauer hinzuschauen.
Da verfolgen viele den Gottesdienst an den Bildschirmen, sie feiern gemeinsam und doch räumlich getrennt.
Da nimmt sich einer eine Ostertüte mit, die am Gartenzaun hängt, und erlebt ganz persönlich Ostern mit Kerze und Ostergeschichte.
Da findet einer einen bunten Stein mit lieben Grüßen und bringt ihn der kranken Nachbarin.
Da erklingen ganz zaghaft Flötentöne aus dem Haus gegenüber „Christ ist erstanden!“.
Da läuten wirklich alle Glocken der Stadt gemeinsam, um zu verkünden: Jesus lebt.
Da hängen viele bunte, schön gestaltete Ostereier im Pfarrgarten und jedes erinnert an die, die jetzt zusammenkommen würden.
Da entstehen Ideen und Möglichkeiten sich ganz neu zu begegnen, denn
… Ostern fällt nicht aus.
…. Ostern ist nicht abgesagt.
… Ostern kann man auch nicht verschieben.
Ostern ist bereits geschehen, damals in Jerusalem. Jesus hat dem Tod, der Dunkelheit, der Traurigkeit, der Resignation die Macht genommen … Daran erinnern wir uns in jedem Jahr und in diesem Jahr auf ganz besondere Art und Weise. Jesus hat längst den Tod besiegt, Ostern kann deshalb nicht ausfallen, wird nicht ausfallen!
So können auch wir Ostern feiern - mitten in der Zeit von Ungewissheit und Angst, mitten in der Zeit von Einschränkungen und Kontaktverbot, mitten in der Zeit neuer Ideen und ungewohnter Wege. Lassen Sie uns gemeinsam darauf hoffen, dass das, was jetzt gewachsen ist, nicht schnell getriebene Wasserschosse werden, sondern Fruchtholz, das Blüten und Früchte hervorbringt.
Jesus ist auferstanden
Er ist wahrhaftig auferstanden.
So grüße ich Sie zu Ostern und bleiben Sie behütet.

Pfarrerin Kerstin Schenk, Wernigerode