Unfreiwilliger Verzicht

14. Mär 2020

Nicht Panik, sondern Besonnenheit, und letzteres womöglich im Sinne von Besinnung ...

Je näher es kommt, desto mehr steigt die Vorsicht. Auch in der Kirche ist Corona schon angekommen. Zumindest gedanklich. Dürfen wir noch Gottesdienst feiern? Was ist mit dem Seniorentreff? Sollen wir einfach alles absagen? Das könnte die Panik noch steigern… In der Evangelischen Kirchengemeinde Halberstadt haben wir uns entschieden, zunächst einmal auf das Abendmahl zu verzichten.
Das Verzichten üben wir in der Zeit vor Ostern ja ohnehin. Aber dass es so kommt, hätten wir am Aschermittwoch auch nicht gedacht. Nun kann es sein, dass wir alle mehr oder weniger in Quarantäne geraten. Vielleicht lässt sich auch dem etwas Positives abgewinnen? Wenn es eine Zeitlang kein Kino, kein Theater und keinen Gottesdienst geben soll, dann sind wir gezwungen uns auf Anderes zu besinnen: die inneren Bilder, Geschichten und Lieder. Wir könnten Erinnerungen hervorkramen, der Phantasie wieder Flügel verleihen, selbst in der Bibel lesen und so die Leere kultivieren. Wir könnten ins Nachdenken kommen über uns selbst und unser Verhältnis zur Natur, zur Erde und zu Gott. Mit anderen Worten: eine Schweigepause einlegen und den unfreiwilligen Verzicht zur inneren Einkehr nutzen. „Gott, man lobt dich in der Stille.“, heißt es im Psalm 65. Die Mystiker haben immer die Stille und das Schweigen empfohlen, um Gott näher zu kommen und dadurch auch sich selbst. Das funktioniert natürlich nur, wenn man nicht die ganze Zeit an das denkt, was man verpassen könnte.
Die Gefahr des Virus will ich nicht kleinreden, auch nicht die sozialen oder wirtschaftlichen Auswirkungen. Vielleicht wird es schwerer als geahnt, und vielleicht stöhnt schon jetzt so mancher unter den Auflagen und Entbehrungen. Es geht mir nur um die Möglichkeit, den erzwungenen Stillstand, soweit er denn kommt, für sich persönlich in etwas Gutes zu verwandeln. Nicht Panik, sondern Besonnenheit, und letzteres womöglich im Sinne von Besinnung - vielleicht hilft das am Ende nicht nur dem Einzelnen, sondern dem Miteinander und der Gesellschaft.
Gott segne Sie und gebe Ihnen die Kraft, die Sie brauchen!

Pfarrer Arnulf Kaus