Last gemeinsam tragen

21. Mär 2020

Der Virus lässt uns innehalten, langsamer werden, nachdenklicher. Der Virus zwingt zum Verzicht. Ob wir hamstern oder teilen. Wir sitzen alle in einem Boot.

Die Angst geht um. Bei den Einen. Angst vor Ansteckung. Angst vor Arbeitslosigkeit. Angst vor Einsamkeit. Angst, nicht alles ausreichend zu bekommen. Partystimmung kommt auf. Bei den Anderen. Endlich mehr freie Zeit. Bei schönem Wetter Freundschaften pflegen. Mal die Seele baumeln lassen. Bagatellisierung der Gefahr. Der Untergangsstimmung trotzen. Die Dritten stehen dazwischen. Menschen im Pflegeheim müssen ran. Die Kassiererin im Supermarkt. Die Krankenschwester im Klinikum. Der Heilerziehungspfleger, der geistig Behinderten das Unmögliche erklären muss. All die Menschen aus Politik und Verwaltung, die in der Krise die Überlebensmöglichkeiten organisieren. Wer trägt wessen Last?

Angst darf ein Mensch haben. Wir dürfen Angst vor dem Virus haben. Wir dürfen Angst um unsere wirtschaftliche Existenz haben. Die Frage ist: Welche Kräfte lassen wir in uns zu? Fatalismus oder Hoffnung? Eigennutz oder Solidarität? Achtsamkeit dem Nächsten gegenüber ist das Gebot der Stunde. Der Virus lässt uns innehalten, langsamer werden, nachdenklicher. Der Virus zwingt zum Verzicht. Ob wir hamstern oder teilen. Wir sitzen alle in einem Boot. Und es ist die Frage, ob wir solidarisch handeln, mitmenschlich, hoffnungsvoll oder nicht? In Zeiten der Entschleunigung wird sich zeigen, wie gut wir, ohne alles immer zu bekommen, miteinander umgehen. Die Frage ist, ob wir so leben, dass die Schwächsten unter uns überleben können? Geben wir ihnen die Chance, unter uns zu bleiben?

Jede und jeder von uns muss jetzt bereit sein, Lasten anderer mit zu tragen. Wir haben die Pflicht, Ängstlichen Mut zuzusprechen. Wir haben die Pflicht, den Alten unsere Hilfe anzubieten. Wir haben die Pflicht, Solidarität mit Pflegenden und Kleinunternehmern zu zeigen. Wir haben die Pflicht, auf die Organisatoren des Überlebens zu hören, ihnen Folge zu leisten. Ehrlich gesagt: Wer Pandemiepartys feiert und Lebensmittel hamstert, disqualifiziert sich. Der oder die steigt aus dem Solidarsystem unserer Gesellschaft aus. Das müssen wir ihnen sagen. Wir werden in den kommenden Monaten und vermutlich Jahren die Lasten der Pandemie gemeinsam tragen. Die wirtschaftlichen, die sozialen Lasten. Darauf sollten wir uns einstimmen. Mir macht es Hoffnung, weil so viele Menschen um mich herum achtsam miteinander umgehen.

Hans-Christoph Jaekel

Hans-Christoph Jaekel, Pädagogisch-diakonischer Vorstand der Evangelischen Stiftung Neinstedt

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