Himmelfahrt – unterwegs in den Himmel?

20. Mai 2020

Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein - Angebot und Verheißung zugleich ...

Himmelfahrt – das ist wohl das am häufigsten missverstandene christliche Fest: Tag des Herrn – Herrentag – Vatertag – Männertag – feuchtfröhliches (oder auch nicht mehr fröhliches...) Fest.
Mit dem eigentlichen Inhalt kann kaum jemand etwas Richtiges anfangen, in schlechten Jesusfilmen sieht das so aus:
Die Jünger stehen auf der Erde, blicken nach oben und werden immer kleiner, manchmal sieht man sogar noch die Füße von Jesus nach oben entschwinden. Das kann nun wirklich kein Mensch ernst nehmen, das ist einfach nur komisch.
Dabei ist Himmelfahrt zunächst die Beschreibung eines Abschieds und meint etwas ganz anderes: Eine Trennung. Und eine Trennung tut weh. Das wird für die Jünger damals nicht viel anders gewesen sein als es heute für Menschen ist, noch dazu wo es nach einem Abschied für immer aussieht.
Das letzte Mal bei einem Menschen sein, ihn noch einmal ansehen, seine Stimme hören, seine Eigenheiten wahrnehmen. Wie sie oder er mich ansieht, was von dem anderen ausgeht. Und dann geht man auseinander und weiß: Es ist für immer.
Abschied – da ist etwas zu Ende und noch weiß niemand, ob und wie es weitergeht. Im Moment des Abschieds gibt es mehr Ängste als Hoffnungen; es wird nicht gleich klar, dass in jedem Abschiednehmen sich eine neue Chance auftut, sich eine neue Welt eröffnet in der Raum gewonnen werden kann für neue Erkenntnisse und Werte.
Für die Jünger damals war die direkte Zeit mit Jesus am Himmelfahrtstag vorbei. Ob sie Früchte getragen hat und was sie überhaupt wert war, wird sich erst später zeigen.
Als Jesus damals gegangen ist, hat er seinen Freunden den Segen hinterlassen.
Segen, so sagt das Lexikon, ist eine lebensfördernde Kraft. Ein wenig bleibt sie ein Geheimnis. Die Kraft, die Trennung zu überstehen, selbständiger, erwachsener zu werden, ein klares und deutliches „Ja“ zum Leben zu sagen.
Jesus hinterlässt seinen Leuten so etwas wie ein Testament. Wenn jemand ein Testament macht möchte er, dass sein Vermögen nicht verloren geht. Dass etwas bleibt über den Tod hinaus. Damit es nicht dem Zufall oder nur den anderen überlassen bleibt, was einmal aus dem wird, was einem wichtig geworden ist im Leben.
Auf Jesus angewendet stellt sich die Frage: Welches Erbe hatte er zu verteilen? Er hatte ja keinen Besitz, keinen Reichtum, keine Aktien.
Ihm war nicht wichtig, was etwas kostet, sondern was es wert ist; er war nicht auf harte Währung aus, sondern auf die Bewahrung des Menschen – die Erlösung von allem was gefangen hält und abhängig macht: Die Freiheit der Kinder Gottes.
Und weil sie das allein nicht fertigbekommen, hat er ihnen seine Kraft zugesagt. Der Segen bleibt nicht allein – aus Segen wird neuer Segen.
Etwas, das aus jedem Abschied entstehen könnte: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein - Angebot und Verheißung zugleich – für jeden Gottesdienst und jede zwischenmenschliche Begegnung.
Der Himmel ist nicht nur über uns – Gottes Himmel ist überall.

Pastorin Ursula Meckel