Passionszeit – Fastenzeit

11. Mär 2019

Ostern kommt zwar von selbst, jedoch nur als Kalenderdatum. Das ist mit Ostern genauso wie mit dem …

 ... sagen wir einfach mal: 26. Mai oder 8. August. Das Datum „Ostern“ hat sich aber in den Kalendern verschiedener Religionen so festgehakt, weil zu Ostern etwas geschah: der Aufbruch in die Freiheit für die Israeliten, der Beginn der neuen Schöpfung für die Christen. Und andere haben mit Ostern den Frühling verbunden, freilich nur dort, wo es Frühling auf der Erde gibt und er auch ungefähr mit Ostern zusammenfällt. Unsere nichtchristlichen europäischen Vorfahren hatten da möglicherweise die Sonne im Blick und die Freude auf einen neuen Zyklus aus Wachsen und Reifen.
Ostern ist der Zielpunkt der Passionszeit, der vorösterlichen Fastenzeit: Nach sieben Wochen wird es Ostern, mit dem Licht eines neuen Tages wird es in den Kirchen fröhlich, bei den Gläubigen meist auch. So etwas muss man lernen. Es liegt nicht nahe. Lernen heißt in diesem Fall: üben. Sich darin üben, seine Lebenszeit einem Ziel zu widmen, das – wie Gott selbst – geheimnisvoll sein mag, aber dennoch die eigene Lebenszeit und die eigene Erfüllung bedeutet. Hinzu kommt: Weil Jesus den Weg des Leids und der Suche nach dem rettenden Gott voran gegangen ist, lassen sich die Tage dieser sieben Wochen ihm widmen. Nachfolge heißt das. Und wem das zu groß ist oder wessen Autonomie-Streben dem Nachfolgen doch zu sehr im Wege steht: Aneignung des Ziels, dem ein anderer – Jesus – gefolgt ist.
Die lange Vorbereitungszeit dient freilich auch einem etwas vergeblichen Unterfangen: Verstehen zu wollen, warum ein Mensch – Jesus – den Weg des Leids und des Schmerzes geht, um das Geschenk des neuen Lebens dort zu empfangen, wo das eigene völlig leer, zerschlagen und aufgebraucht ist. Wer das verstehen will, kommt mit den sieben Woche nicht weit. Es lässt sich nicht verstehen, so als gäbe es eine logische Aufeinanderfolge von Dunkel zu Hell, Tod zum Leben, Schmerz zu Erlösung. Es ist nicht logisch. Das neue Leben hat kein Vorspiel und keinen Testlauf. Es gibt auch keinen Schnupperkurs dafür. Es beginnt einfach. Ostern ist neues Leben. Sieben Wochen heißt es zuvor mit dieser Unwahrscheinlichkeit leben lernen.
In der Passionszeit beginnen viele, miteinander über den Sinn ihres Glaubens zu sprechen, indem sie sich erzählen, worauf sie in diesen sieben Wochen verzichten wollen. Ein gutes, ergiebiges Thema: Was bewegt dich, wenn du eine Gewohnheit, etwas Gewöhnliches aus deinem Alltag weglässt? Und was bringt dich zu Ruhe, wenn du dich dieser Leer-Stelle bewusst zuwendest? Und auch das lässt sich nun fragen: Wer begegnet dir da, der sonst immer im Schatten deines Lebensstils steht? Ist da wer? Magst du ihn kennenlernen?

Christoph Carstens
Pfarrer in Quedlinburg und Westerhausen