"Fürchtet euch nicht!"

24. Dez 2016

Ursula Meckel

Beitrag für die Volksstimme
Lokalausgabe Halberstadt zum 24. Dezember 2016
Wort der Kirche
„Fürchtet euch nicht!“
Diese drei Worte aus dem Lukasevangelium gehören zu jedem Gottesdienst am Heiligen Abend in den erfahrungsgemäß gut besuchten Kirchen. In diesem Jahr wird es besonders schwer fallen, sie auszusprechen und anzunehmen, denn nicht erst seit dem Berliner Geschehen vor wenigen Tagen ist vieles zum Fürchten.
Trotzdem – oder vielleicht dennoch – wird heute der Heilige Abend begangen, die alten Lieder werden gesungen, die Weihnachtsgeschichte des Arztes Lukas wird verlesen: „Es begab sich aber zu der Zeit … Fürchtet euch nicht, euch ist heute der Heiland geboren.“
Zum Christfest ist es ein Kind in einer Futterkrippe, das anrührt, anzieht und Gefühle wachruft, die sonst eher unterdrückt werden. Was ist so Besonderes an diesem einen Kind, dass seit Jahrhunderten an diesem Tag die Sehnsüchte nach Frieden und Geborgenheit stärker sind als sonst?
Ein neugeborenes Kind ist immer ein Symbol für einen neuen Anfang. Es ist noch ganz unverfälscht, es hat noch alles vor sich, alles ist offen. Wenn wir im Lukasevangelium weiterblättern finden wir viele Geschichten von dem erwachsen gewordenen Jesus.
Wir können nachlesen, dass Menschen von Jesus aufgerichtet wurden, ermutigt, dass sie neues Selbstvertrauen bekamen, aus der Trauer und der Einsamkeit geführt wurden, geheilt wurden an ihrem Leib und vor allem an ihrer Seele. Deshalb gibt es so viele Geschichten über Jesus. Er begegnete den Menschen so, wie sie es brauchten.
Die Menschlichkeit hat ein Gesicht und einen Namen bekommen. Die Botschaft hat Jahrhunderte überlebt und Menschen zum Leben ermutigt. Gott bleibt nicht für sich - er kommt zu uns; nicht auf die Schokoladenseite des Lebens, sondern in den unbeschönigten Alltag, wie damals in die Krippe von Bethlehem.
Die Anschläge auf arglose und unschuldige Menschen erschüttern uns, aber sie können nicht unsere Überzeugung zerstören, dass die Kraft der Versöhnung stärker ist als der Hass. Wir dürfen uns vom Hass der Täter nicht zum Hass verführen lassen. Ich erinnere an Martin Luther King und seine Worte: „Ich habe zu viel Hass gesehen, als dass ich selber hassen möchte. … Um Gerechtigkeit zu erreichen, ist Gewalt unbrauchbar: Das alte Gesetz "Auge um Auge" hinterlässt nur Blinde.“
Das Kind in der Krippe ist Zeichen für das Neue, das beginnt und immer wieder beginnen kann. Weihnachten bringt neue Hoffnung für die Welt, neue Möglichkeiten zu leben.
Wir können zur Krippe gehen und sehen, was da zu sehen ist: Zeichen der Hoffnung, dass Sehnsüchte, Erwartungen und Fragen Antwort finden können.
Wo das gelingt, da ist wirklich Weihnachten. Da ist Gott angekommen. Angekommen mit seinem einfachen und einleuchtendem Angebot:
„Fürchtet euch nicht - euch ist heute der Heiland geboren.“
Ursula Meckel, Pastorin im Kirchenkreis Halberstadt
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Sagt es leise weiter;
sagt allen, die sich fürchten,
sagt leise zu ihnen:
Fürchtet euch nicht, habt keine Angst mehr,
Gott ist da.
Er kam in unsere Welt,
einfach, arm, menschlich.
Sucht ihn,
macht euch auf den Weg.
Sucht ihn nicht hinter den Sternen,
nicht in Palästen, nicht hinter Schaufenstern.
Sucht ihn dort, wo ihr arm seid,
wo ihr traurig seid und Angst habt.
Da hat er sich verborgen,
da werdet ihr ihn finden,
wie einen Lichtschein im dunklen Gestrüpp,
wie eine tröstende Hand,
wie eine Stimme, die leise sagt:
Fürchte dich nicht.