Zu kurze Adventszeit?

17. Dez 2016

Ursula Meckel

Beitrag für die MZ / Lokalausgabe Quedlinburg zum 17. Dezember 2016
Gedanken zur Zeit

„Advent müßte viel länger dauern“
„Morgen, Kinder, wird’s was geben, morgen werden wir uns freu´n“ – seit Wochen schon höre ich immer mal wieder dieses Lied im Radio und frage mich: Kann man sich dann noch freuen, wenn es tatsächlich so weit ist?
Was wird erwartet von Weihnachten? Dass es mal ein paar Tage friedlicher zugeht auf unserer Erde, dass Menschen freundlicher miteinander umgehen, sich Zeit nehmen für einander?
Im Fernsehen laufen Filme, die zu jeder anderen Jahreszeit als Kitsch verschrien und verlacht würden. Das bevorstehende Fest lässt Sehnsüchte wach werden, die sonst im Verborgenen schlummern. Aber sie sind da, wie auch die vielen Lichterketten in den Geschäften, Straßen und Vorgärten.
Wie so vieles Schöne birgt der vorweihnachtliche Glanz eine Gefahr – er kann blenden. Im Theater gibt es einen alten Trick: Wenn die Zuschauer nicht sehen sollen, was auf der dunklen Bühne geschieht, dann werden um die Bühne herum ganz viele kleine Lichter eingeschaltet. Das sieht gut aus, blendet jedoch so, dass nicht mehr zu sehen ist, was da im Dunkeln geschieht.
Weihnachten ist für viele Menschen ganz besonders schön und feierlich und harmonisch, deswegen tut es anderen besonders weh, wenn sie in diesen hellen Tagen im Dunklen bleiben: Wer allein ist, zerstritten mit sich und der Welt, ohne Angehörige, ohne Hoffnung vielleicht, voller Angst vor einer Krankheit, dem Sterben oder dem Tod, auf der Flucht - es gibt vieles, was das Leben dunkel machen kann.
Beim alten Propheten Jesaja aus der Bibel heißt es: „Das Volk, das im Finstern wandelt sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finsteren Tal scheint es hell.“
Diese Verheißung meint alle Menschen; auch diejenigen die meinen, in ihrem Leben wird es nie wieder hell. Weihnachten erinnert uns jedes Jahr aufs Neue: Gott hält sein Versprechen, er kommt als Mensch zu uns Menschen, damit wir menschlicher werden und menschlicher umgehen mit uns und mit anderen.
Vor einigen Tagen sagte mir ein ältere Dame: „Advent müsste viel länger dauern, die Menschen sind in dieser Zeit so anders.“ Anders heißt wohl: Aufmerksamer für die Not anderer; eher bereit, etwas für andere zu geben und zu tun.
Ich freue mich darüber, wie viele Menschen sich gerade in der Zeit vor Weihnachten für andere einsetzen, Spenden sammeln, Hilfstransporte organisieren, auf die Not anderer aufmerksam machen. Genau das Richtige, um sich auf das Fest der Geburt von Jesus vorzubereiten.

Ursula Meckel, Pastorin im Kirchenkreis Halberstadt