Wider die Unflätigkeit im Umgang

23. Okt 2016

Matthias Zentner

In meinem ersten Berufsleben habe ich mich in der Lutherstadt Wittenberg viel mit deren Namenspatron beschäftigt. Bereits um die Jahrtausendwende steckten wir die Köpfe zusammen, um zu planen, was uns im Jahr 2017 als Jubiläum ins Haus stehen würde: Luthers Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg - die bald 500 Jahre zurückliegende Szene, die so klein anmutet aber so Vieles tiefgreifend veränderte.

Das Jubiläumsjahr naht nun mit großen Schritten und wird am Reformationstag, also in wenigen Tagen eingeläutet.  Zeit, die Ernte einzubringen. Und da ist Eindrückliches zu bestaunen. Die Sanierung von Stadt- und Schlosskirche stellen einen echten Höhepunkt dar. Aber die Planer sind dankenswerterweise nicht dem Irrtum erlegen, es bei Wellnesskuren für Gebäude zu belassen.

Gebohrt und gehämmert wurde und wird auch auf der Baustelle, was die Reformation heute inhaltlich bedeutet. Es ging in 10 Themenjahren um Bildung und Freiheit, um Toleranz und Musik, um die eine Welt in der wir leben. Nach soviel Vorfeiern steht nun das eigentliche Fest an, es wird geerntet werden und auch kritisch nachgeschaut werden müssen, wieviel Früchte eingebracht werden können, das heißt, ob Menschen sich haben ansprechen, bewegen und begeistern lassen. Ich bin gespannt.

Über eines freue ich mich aber jetzt schon: dass die Kirchen in diesem Land einander um Verzeihung bitten für all das Unheil, die Streitigkeiten, für Krieg und Verderben, die der Streit um die Wahrheit im 16. Jahrhundert auslöste und unter anderem im Dreißigjährigen Krieg gipfelte. Eine Entschuldigung macht nichts ungeschehen, aber sie öffnet Raum für Neues: Gott sei Dank.

Eines aber liegt mir derzeit besonders am Herzen. Freilich begann alles mit dem kleinen Mönch, der es wagte, sich wortgewaltig mit den Mächtigen in Kirche und Politik anzulegen. Möglicherweise nimmt Mancher, der sich heute schäbig über „die da oben“ äußert, darauf sogar Bezug. Was mich immer wieder wirklich erschüttert ist die Gewalt der Worte in den Kommentaren in den sogenannten sozialen Medien oder in Diskussionen.

Erschrocken bin ich über soviel Hass und darüber, wie viele Menschen sich derzeit berufen fühlen, ihn über alles und jeden auszukübeln. Etwas ratlos wünsche ich mir, dass wir uns ein Beispiel nehmen an einem Freund Luthers, der treffsicher war in seinen Worten, aber die Würde des Anderen achtete, dem es ebenso um die Wahrheit ging, der sich aber um einen respektvollen Umgang bemühte. Und damit viel mehr erreichte, als landläufig bekannt ist: Philipp Melanchthon.

Matthias Zentner