Wer? Wie? Was?

06. Okt 2018

Kaum ist die Tür geschlossen, beginne ich zu grübeln. Ein Bekannter hat mir gerade ein Projekt vorgestellt, das sich mit der bald 30 Jahre zurückliegenden Wende befassen wird. Junge Leute von heute sind eingeladen, sich von Jugendlichen aus den späten 80er Jahren berichten zu lassen, was sie bewegte, sich politisch zu engagieren. Und gleichzeitig steht die Frage im Raum, was den Jugendlichen heute „stinkt“, wofür sie sich einsetzen möchten. Interessant und wichtig, weil wir mehrheitlich längst zu einer Beobachter-Demokratie geworden sind. Eigentlich war es doch als Mitmach-Demokratie gedacht, in der Menschen sich politisch aktiv beteiligen. Wenn die Jugendlichen von uns Erwachsenen aber lernen, dass es bequemer ist, auf „die da oben“ zu schimpfen, statt sich konkret einzubringen, dann scheint mir der Bestand unserer Demokratie zumindest gefährdet. Wenn sie von uns Erwachsenen lernen, dass es nicht lohnt, andere Menschen und ihre Anschauungen verstehen zu wollen und stattdessen engstirnig nur das eigene Süppchen zu kochen, dann brocken wir uns etwas ein…

Anfang Oktober fahre ich mit 18 Jugendlichen nach Israel. Wir werden uns auf den steinigen Weg begeben, beide Seiten eines so unversöhnten Landes zu verstehen und werden feststellen, dass alles noch viel komplizierter ist, als es auf den ersten Blick scheint. Aber wir wollen uns der Mühe unterziehen, uns Verständnis zu erarbeiten. Wir wollen uns in einer Tugend üben, die manchmal längst vergessen scheint: dem Fragen. Zu schnell scheinen wir heute zu wissen, worum es geht. Schnell sind die „Schubladen“ offen, und irgendwie schaffen wir schon, dass reinpasst, was wir der Einfachheit halber gern wegsortieren wollen. Wer aber fragt, kriegt Antworten, muss damit arbeiten, sein Bild von den Dingen ändern. Fragen kostet Mühe, aber fördert Verstehen. Und das trainiert Toleranz, was nicht meint, dass alles beliebig, gleich-gültig wird.
Das Motto unserer Reise lautet übrigens „Auf den Spuren Jesu“. Das nehme ich mir auch für zuhause vor. Denn mich beeindruckt, wie genau Jesus hinschaut, wenn er Menschen begegnet, wie er wirklich verstehen will, was sie bewegt. Mir imponiert, wie selbstverständlich er nachfragt. „Was willst Du, das ich für dich tue“ erkundigt er sich bei einem kranken Menschen und bildet sich nicht ein, längst alles über das zu wissen, was ihm helfen wird. Und ich erinnere mich daran, wie Jesus im Johannes-Evangelium über sich selbst redet und spreche ihm sinngemäß nach: Ich bin verantwortlich für das, was mich umgibt und mir damit ans Herz gelegt ist. Mitmach-Demokratie heißt das Stichwort!

Pfarrer Matthias Zentner