Singen ist Balsam für die Seele

02. Mai 2015

Ursula Meckel

Im Kirchenjahr gibt es viele Sonntage, die lateinische Namen haben. Der 3. Mai heißt in diesem Jahr „Kantate“ und das ist leicht zu übersetzen: Singet!

Nun gibt es wahrscheinlich mehr Menschen, die eher eine Musik-CD einlegen oder das Radio anschalten als selber zu singen, obwohl das sehr schade ist, denn: Singen macht nicht nur Spaß, sondern ist auch noch gesund.

Ein Kollege von mir hat jahrelang jede Kantate-Predigt mit den anklagend-provozierenden Ausrufen begonnen: „Kantate! Wer singt denn heute noch? Ein paar hochbezahlte Solisten...“ und das sehr zum berechtigten Ärger des engagierten Kirchenmusikers. Die Behauptung stimmt ja auch nicht; es wird viel gesungen - nicht nur aber auch in Kirchenchören, allein oder in geselliger Runde; zuweilen wird bloß geträllert oder gepfiffen - aus Freude heraus oder gegen Ängste – oder jemand summt einfach nur fröhlich vor sich hin.

Das eigene Singen gehört zum Menschsein dazu. Ursprünglich war das Singen keine Freizeitbeschäftigung und auch keine religiöse Äußerung, sondern eine Begleiterscheinung zur täglichen Arbeit. Aus dem Schreien und Stöhnen beim Holzspalten, aus den Rufen bei der Ernte wurde rhythmisches Rufen, nach und nach melodisch geformt. So erleichterte das Singen, die Kraft zu sammeln und gesammelt aus sich herauszulassen. Später fanden Rhythmus und Gesang den Weg vor die Altäre, wo Menschen ihrer Not und ihrer Freude vor Gott Ausdruck gaben. Singen war also von Anfang an nicht nur Selbstzweck, sondern hatte ein Ziel, war Hilfe im Leben. Es verleiht der Seele Ausdruck.

Singen ist heilsam für die Seele. Singen sammelt Kräfte, lässt Klage oder Lob aus uns heraus, auch unterdrückte Not kann sich lösen, Singen besänftigt, erregt, macht lebendig. Schon immer haben Heiler Musik zur Therapie eingesetzt.

Die Abwehrkräfte des menschlichen Körpers werden schon nach 20 Minuten Singen aktiviert, das Stresshormon Adrenalin abgebaut und die Sauerstoffversorgung der Organe verbessert. Das steigert das Wohlbefinden.

Lieder leihen uns ihre Worte. Die Sprache der alten Kirchenlieder ist oft nicht unsere Sprache, aber manchmal finde ich es sogar gut, Lieder zu singen, deren Texte mir nicht ganz passen, weil sie mich damit über mich selbst hinausführen, mich wegführen davon, mich nur um mich selber zu drehen. Ich kann mich einreihen in die Gebete der Generationen vor uns.

Singen ist nicht zuletzt Balsam für die Seele. Musikwissenschaftler haben in mehreren Langzeit-Untersuchungen nachgewiesen, dass singende Menschen lebensfroher, ausgeglichener und zuversichtlicher sind als andere. Also, was hindert es, einfach lauthals und fröhlich loszusingen?