Mal ohne Runtermachen

22. Feb 2015

Matthias Zentner

Am Aschermittwoch war nicht alles, aber doch manches vorbei. Auch wenn hier und dort immer noch kräftig Fasching gefeiert wird: eigentlich ist Fastenzeit! Was den Altvorderen noch völlig klar war (wir verzichten in diesen 7 Wochen auf Gewohntes, um uns innerlich!!! auf Karfreitag und auf das Fest der Auferstehung vorzubereiten), ist in modernen Zeiten zumindest strittig. Mancher hält es wohl noch ganz ernsthaft mit der Suche nach Fragen, die das Leben stellt und Antworten, die uns Gott darauf geben will. Für viele Zeitgenossen aber ist es eher eine Zeit der Selbstoptimierung: leiblich, weil die Kilos einfach runter müssen und vielleicht sogar seelisch: weil ich mich besser fühlen muss, als ich es tue. Und es wird verzichtet, was das Zeug hält: auf Fernsehen oder Fleisch, auf Süßes oder Saures, auf Kaffee oder Kakao. Freilich ist dagegen nichts einzuwenden. Aber ich will trotzdem auf etwas hinweisen, das mir wichtig ist: dass die Selbstoptimierung (Schlanker! Gesünder! Leistungsfähiger!) dem widerspricht, was eigentlich gemeint ist, nämlich: Wenn ich auf Gewohnheiten verzichten, habe ich eine Chance, zum Wesentlichen zu gelangen. Wenn ich das Fernsehen lasse, dann hoffentlich, um mehr Zeit mit Frau, Kindern oder Freunden zur Verfügung zu haben. Wenn ich die vielen alltäglichen Ablenkungen meide, kommen die wirklich bedeutsamen Fragen plötzlich nach vorn: Was ist mir wichtig? Was möchte ich bewirken? Worauf habe ich Lust? Wo ist mein Platz in dieser Welt?

Auch in diesem Jahr gibt es wieder eine Fastenaktion der Evangelischen Kirche, die nicht danach fragt, auf welches Genussmittel wir verzichten. „Sieben Wochen ohne Runtermachen“ heißt das Motto. Und meint, dem Zwang nicht nachzugeben, stets und ständig nach den Defiziten zu suchen, die Dinge, Erlebnisse oder Menschen mit sich bringen und in denen das ABER die größte Rolle spielt: „Das Handy ist voll coool, aber…“ Oder: „Der Urlaub war toll, aber…“ Oder: „Ich mag die Frau X eigentlich sehr gern, aber …“ Was mich an der Fastenaktion in diesem Jahr jedoch am meisten berührt, ist, wie lieblos und überkritisch wir oft mit uns selbst umgehen. „Der Blick in den Spiegel offenbart schreckliche Defizite!!! Und überhaupt krieg ich das nicht hin und jenes nicht und sowieso!“  Stattdessen möchte ich Gottes liebevollen Blick auf mir spüren (mindestens sieben Wochen lang) und ihm mit Worten eines uralten Gebets antworten: „Ich danke dir, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ (Psalm 139,14)

 

Pfarrer Matthias Zentner, Krankenhausseelsorger am Harz-Klinikum Quedlinburg