Heute Show Osterhase

22. Apr 2018

Christoph Carstens

Jetzt ist Falle zugeschnappt: Oliver Welke hat sich in der „heute-show“ im ZDF am 6. April in die Untiefen der Religionssatire verirrt und ist sogleich auf Grund gelaufen – ein paar Strafanzeigen wegen Verunglimpfung des Christentums hat er sich damit schon eingehandelt. Für alle, die es sich nicht angeschaut haben (oder sich so etwas grundsätzlich sowieso nicht anschauen): In der Sendung am 6. April, also schön eine Woche nach Karfreitag, wurde ein Bild gezeigt, auf dem statt Jesus Christus ein Osterhase mit den zwölf Aposteln das letzte Abendmahl hält, gleich darauf wird derselbe Osterhase als Gekreuzigter gezeigt, um im dritten Bild aus einem Osterei wieder aufzuerstehen.

Hintergrund der Provokation: Irgendjemand aus der AfD hatte sich beschwert, dass der Schoko-Osterhase auf irgendeinem Kassenzettel aus irgendeinem Supermarkt zu einem „Traditionshasen“ umbenannt worden war, was als klarer Hinweis darauf gewertet wurde, dass der Islam in Deutschland auf dem Vormarsch sei. Der Osterhase, wenn er denn noch so genannt wird, wurde damit zum (vielleicht letzten) Kronzeugen des christlichen Abendlandes. Logisch ist dann: Ohne Osterhasen auch kein christliches Ostern mehr. Fällt der Hase, fällt der Glaube. Oder es kommt Oliver Welke.

Ich hatte bisher immer staunende Hochachtung vor seiner Satire, in der es ihm Woche für Woche gelingt, nicht über die Kirche, über die Christen, über den Glauben herzuziehen. Meine Kirche bietet für einen charmanten Satiriker wie ihn genug Angriffsflächen, sich lustig zu machen: Die roten Schuhe, um die Bischöfin Käßmann den Papst beneidet hat, das Kreuz, das die deutschen christlichen Bischöfe beim Treffen mit Imamen in Jerusalem unter ihrer Hemdbrust haben verschwinden lassen, die Inbrunst, mit der evangelische Christen Kirchen renovieren, in die 95 Prozent von ihnen nie gehen, die Scham, mit der die Deutschen an alles Mögliche glauben, auch wenn sie Christen sind, nur halt nicht an Gott …

Es gibt, wenn man es spaßig nimmt, genug zu lästern über das „Schiff, das sich Gemeinde nennt“ (eine christliche Liedzeile aus den Sechzigern, die schon damals unverzüglich und satirisch in „Ein Schiff, in dem Gemeinde pennt“ umgewitzelt wurde).

Die Reinheit der „heute-show“ in Religionsdingen hat mich gelegentlich an meine Lehrer an der POS erinnert, die bei aller Kirchenfeindlichkeit einer sozialistischen Schule sich – zumindest in dem Unterricht, den ich erlebt habe – fast jede Herablassung gegenüber meinem Glauben verkniffen haben.

Oliver Welke war nie auf einer POS (sondern auf einer evangelischen Schule in Westfalen), meint von sich, ein Atheist zu sein, und hat seinen Comedy-Kahn nun auf Grund gesetzt. Über den Glauben anderer Leute macht man keine böswilligen Witze, schon gar nicht, wenn man dafür bezahlt wird. Oder?

Ich brauche es, dass meine schöne, romantische Glaubenswelt ab und zu mal durch den Kakao gezogen wird, meinetwegen auch im Fernsehen, wo die Verspotteten sich nicht wehren können. Ich verstehe aber auch, dass es schnell unerträglich wird, wenn man für seinen Glauben verächtlich gemacht wird.

Hätte Welke also schweigen sollen? Das muss man einen Satiriker nicht fragen. Er lebt davon, dass er den Mund zu voll nimmt und die Leute auf der Straße ihn deshalb vielleicht drei Tage lang nicht mehr grüßen wollen. Wie er sich benimmt, wenn er zu einer christlichen Hochzeit eingeladen wird, bleibt mir ein Rätsel. Aber vielleicht gehen Atheisten ja nicht auf christliche Hochzeiten, sondern kommen dann erst zum ersten Drink auf die Wiese hinter der Kirche. Logisch wäre das.

Kurz und gut: Christus ist am Kreuz gestorben, und der christliche Glaube beharrt fast närrisch darauf, dass Gott so den Tod und alle, die ihm dienen, überwältigt hat in alle Ewigkeit.

Das glaube ich, wer will mir die Stirn bieten und einen anderen Glauben fordern? Eben – niemand. Deshalb wählte Oliver Welke die Satire – die ist zur Not ja dann doch nicht ernst gemeint, die Leute sollen ja nur was zum Lachen haben, und wenn es doch jemand ernst nimmt, ist es immer noch künstlerische Freiheit gewesen.

Nur zu! Ich bin es gewöhnt, dass man mir meinen Glauben madig macht. Deshalb hat er ja auch fast alle Eitelkeiten und falschen Stolz abgelegt. Aber eigentlich ist Religionssatire, die Jesus Christus (an den der Atheist nicht glaubt) als Osterhasen ans Kreuz nagelt, auch nur eine von den ganz billigen Nummern. Ich käme auf eine so alberne und pubertäre Idee gar nicht. Außerdem würde es mein Enkelkind sehr ängsten, wenn jemand seinen Plüschhasen irgendwohin nagelt. So etwas tut man nicht (auch nicht nachts um 22.30 Uhr).

Christoph Carstens, Pfarrer in Quedlinburg und Westerhausen