Der King of Kings im Stadion

23. Jun 2018

Matthias Zentner

Ein Bekannter von mir ist bekennender Royalist. Kein Reichsbürger, gottlob. Aber einer, der das britische Königshaus liebt und mit großem Interesse verfolgt, was die Queen auf der Insel tut. Auch wenn mir dieses „Hobby“ wirklich fern ist: ich mag meinen Bekannten trotzdem. Ähnlich ambivalent geht es mir mit einer anderen „Queen“: eine der größten Rockbands aller Zeiten. Da gibt es Lieder, die sing ich voller Freude mit und erinnere mich schmunzelnd an die Discos meiner frühen Jugend, als wir im Kreis auf dem Fußboden knieten und den Rhythmus mit den Händen trommelten. Aber ein Lied kann ich gar nicht leiden: das von den Champions. Es singt davon, dass es „no time for losers“ gibt: keine Zeit für Verlierer. Da denke ich an die Münchener Millionäre, die nach dem verlorenen Pokalfinale in diesem Frühsommer keinerlei Anstand besaßen und ihre Silbermedaillen vor aller Augen trotzig ablegten. Keine Zeit für Verlierer? Natürlich denke ich aktuell an die Sympathieträger aus Ägypten und Marokko, die gerade aus dem Fußball-Turnier in Russland ausgeschieden sind. Keine Zeit für Verlierer? Zum Glück gibt es in den Stadien eine Stimmung, die die Kleinen, die Außenseiter ehrt, sich freut, wenn dem Iran etwas gegen die großen Spanier gelingt. Zum Glück straft diese „Schwarmintelligenz“ in den Stadien die FIFA ab, der es fast nur noch ums (Geld) Gewinnen zu gehen scheint. Natürlich freuen wir uns mit den Gewinnern, sind selbst stolze Weltmeister. Aber am Respekt vor den Kleinen, den vermeintlich Schwachen sollte es uns dennoch nicht mangeln. Wenn ich in meiner Bibel die Geschichten von Jesus lese, entdecke ich dort eine Leidenschaft für jeden Menschen, auch für die, die krank sind oder einfach anders, für die, die scheinbar nichts können, sogar für die, die keiner leiden kann. Das hat mich schon als Kind gerührt, hat mich überzeugt, begleitet mich in meinem Dienst im Krankenhaus. Nicht nur deshalb ist er mein King of Kings, in der Sprache der Bibel „der König über alle Könige“. Ein Souverän, der sich souverän über die Konventionen hinwegsetzt und sich liebevoll zuwendet. Jedem.
Mein Bekannter ist übrigens von diesem König, der auch die Verlierer liebt, gottlob überzeugter als von jeder Queen dieser Erde.

Pfarrer Matthias Zentner