Auftakt für eine neue Zeit

09. Dez 2018

Es ist Advent. Vielleicht die christlichsten Wochen des Jahres, denn es ist drei Wochen lang Zeit, Weihnachten vorweg zu nehmen. Und da kommen dann manche christliche Traditionen zum Zuge, die es sonst im Jahr schwer haben: alte Texte, alte Melodien, Orientierung an Idealen des Zusammenlebens, Solidarität mit den Bedürftigen in der Nähe und mehr noch in der Ferne.

Überraschender Weise wiederholt sich im Dezember nicht, was vor Ostern gelungen ist: Dass das Fasten-Ideal zu einer Kulturströmung wurde, an der sich viele in ihrer individuellen Lebensgestaltung orientieren, auch wenn sie gar keine Christen sind. Zwar meint manch einer, dass es im Advent eigentlich des Guten schon zu viel ist, aber ein Trend wie in der „Fastenzeit“ vor Ostern ist daraus nicht geworden. Es weiß ja auch kaum noch jemand, womit man es im Advent wirklich zu tun hat. Dass die Adventszeit am Ende des Jahres liegt, macht es ihr aber auch leicht: Jetzt kann man sich noch einmal zusammensetzen, ohne dass Termine und Projekte diskutiert werden müssen. Es lohnt sich schon mal, ein Jahresresümee zu ziehen. Und es gibt keinen Grund mehr, Konflikte weiter am Köcheln zu halten – das Jahr ist bald vorüber. Es wird sich mit einigen freien Tagen verabschieden. Da möchte man die müßigen Debatten nicht einfach mitschleppen. Es ist gut, dass Advent gekommen ist.

Ich höre aber auch die Frage: Was macht der Advent mit dem, um den es eigentlich geht: Gott? Wird Gott jetzt auch ein bisschen christlicher als sonst (weil ja nur die Christen den Advent kennen)? Wird er gelassener mit all den schönen und dann doch verpassten Gelegenheiten des Jahres, etwas zum Guten zu verändern? Ist der Advent Gottes eigentliche Zeit, weil Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft jetzt einfach größere Chancen haben? Hat, so fragen ja auch manche, Gott überhaupt seine besten Stunden im Advent, weil er ansonsten eher auf verschlossene Ohren und, mehr noch, auf verschlossene Herzen stößt? Vielleicht ist es so. Sicher geht es aber um ein großes Thema, das seine Zeit braucht: Wie das Abgenutzte und Zerschlissene der Schöpfung neu werden kann. Und wenn das zu allgemein ausgedrückt ist: Wie die eingerissene Gewöhnlichkeit des doch so kostbaren Menschenlebens verwandelt oder ganz und gar neu geschaffen werden kann. Eine Menge Platz braucht das. Der Advent ist eine symbolische „Jahreszeit“ dafür.

Der Advent mündet in die ergreifende Geschichte von Weihnachten. Da muss niemand etwas für tun, man muss nur hinhören und ein bisschen Zeit haben, wenn es zu Heilig Abend soweit ist. Vielleicht lässt sich aber noch ein Gefühl dafür bewahren, dass davor Advent war – der Auftakt für eine neue Zeit im Miteinander. Und auch für mich selbst.

Christoph Carstens, Pfarrer in Quedlinburg und Westerhausen

Christoph Carstens

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