Angenommensein und Annehmen

10. Jan 2015

Ursula Meckel

Die ersten Tage des neuen Jahres sind vergangen und nach einer Begrüßung höre ich oft noch die Frage: Bist Du gut hineingekommen? Hinter der Frage steht das Wissen: Der Beginn ist wichtig; jeder Film, jedes Essen, jedes Gespräch sollte gut anfangen, spannend, verheißungsvoll und vielversprechend.

Wer zu einem Bewerbungsgespräch geht, wer einen Besuch bei einem bislang unbekannten Menschen macht, wer einen Brief  schreiben will der weiß: Auf den Anfang kommt es an, der Auftakt prägt sich ein.

Der Anfang macht entweder Lust auf mehr oder er setzt negative Vorzeichen, die so schnell nicht zu korrigieren sind; so wie der erste Eindruck, den ich von einem Menschen gewinne. Wissenschaftler haben herausgefunden: Bei einer Begegnung zweier sich bislang unbekannter Menschen entscheidet sich in den ersten sieben Sekunden, ob sie einander sympathisch finden oder nicht. Da hat noch keiner auch nur ein Wort gesprochen.

Der Volksmund sagt weise: „Aller Anfang ist schwer“, wohl wissend, dass jeder Neubeginn unsicher macht und alles erst einmal eingeübt werden muss. „Das fängt ja gut an“ heißt es, wenn es von Beginn an Probleme gibt, die ahnen lassen, was womöglich noch alles auf uns zukommt.

Was im gerade begonnenen Jahr auf uns zukommt wissen wir nicht wirklich. Manches lässt sich planen, längst nicht alles.

Mir gefällt, dass es für jedes Kalenderjahr eine biblische Jahreslosung gibt. Für 2015 ist sie aus dem Römerbrief und heißt: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.“ (Römer 15;7)

Einander annehmen, darunter verstehe ich: Wahrgenommen werden, ernstgenommen werden, akzeptiert werden. Alle Menschen brauchen positive und wertschätzende Botschaften, die andere uns geben. Auf diese Weise haben wir Anteil an der Freundlichkeit Gottes.

Einen in diesem Sinne guten Jahresanfang hatten zum Beispiel die knapp 200 Menschen, die sich am Epiphaniastag in der Winterkirche des Domes in Halberstadt trafen; unter ihnen Dreiviertel aus der ZAST. Mit den Gästen aus Syrien, der Ukraine, dem Irak, Albanien, Serbien und afrikanischen Ländern, darunter vielen Kindern, ereignete sich ein Aufeinanderzugehen, Einanderannehmen, oft einfach mit einem kleinen Lächeln begonnen. Erfahrbar wurde: Wir sind gleich und doch verschieden; ein fremdenfreundliches Miteinander ist möglich. Ein verheißungsvoller Jahresbeginn.

 

Ursula Meckel, Pastorin im Kirchenkreis Halberstadt