Alles ist erlaubt?

01. Sep 2018

Ulrich Lörzer

MZ / Quedlinburg /Lokales / GEDANKEN ZUM TAG 1. September 2018

"Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“ - das ist ein Vers der aus dem Psalm 103. Ein dankbarer Spruch zum Nachdenken, denke ich jetzt im Schreiben, und doch zugleich auch unbequem. Denn das Vergessen scheint mir dann doch eher zu unserer Alltagserfahrung zu gehören als das Gottloben.

„Wir leben nicht in einer gottverlassenen, aber gerade hier im Osten Deutschlands in einer oft gottvergessenen Welt.“ Das hat schon mein Dozent für Systematische Theologie mir einprägsam gesagt während des Studiums, und ich gebe ihm recht. Erleben wir doch, was es heißt, in einer gottvergessenen Welt zu leben! Hier scheint letztlich fast alles erlaubt und jegliches Gebot, jeder Wert hinterfragbar.

Gerade wieder geht es in unserm Land um den Wert und die Autorität einer Verfassung und eines geordneten Rechtsstaates sowie seiner Vertreter. Alles erlaubt - alles hinterfragbar? Wozu Verantwortung übernehmen, wenn ich doch sowieso niemandem verantwortlich bin? Freiheit wird zur Zügellosigkeit und Anarchie, wenn sie nicht begrenzt wird durch einen geordneten Rahmen, der von allen anerkannt und respektiert wird. Für Christen ist es Gott, der mit seinen Geboten den Rahmen setzt, in dem wir frei leben können, ohne Angst voreinander oder Gott selbst haben zu müssen.

In Jesus Christus nimmt er - die letzte Instanz, vor der wir verantwortlich sind - uns die Angst vor Strafe, wenn wir die von ihm gesetzten Grenzen überschreiten, und ermutigt zugleich, wieder aufzustehen und verantwortlich im Richtungssinn seiner Liebe zu handeln.

Das Gute, das Gott uns tut, ist also nicht nur in der Schönheit des Lebens zu sehen und in den Wohltaten, die es für uns mit sich bringt, sondern gerade vor dem Hintergrund unserer Gottvergessenheit. Denn trotzdem hält Gott in seiner Barmherzigkeit und Liebe Güte und Segen für uns bereit. Er bringt sich uns in Erinnerung immer wieder durch das Schöne, das wir erleben, und durch das Wort der Bibel, das Evangelium, das verkündigt wird, damit wir im Alltag etwas haben, das uns zurückholt aus unserer Gottvergessenheit.

Wir mischen uns ein mit unserem Glauben in den gesellschaftlichen Diskurs nicht mit Gott als Kampfbegriff, sondern als Angebot, eine ordnende und heilsame Mitte zu finden, damit es nicht nur wenigen, sondern allen gut geht.

Pfarrer Ulrich Lörzer, Thale